a) Geschäftsführerhaftung
Der Anlauf der Festsetzungsfrist wird gegenüber einem Haftungsschuldner nicht gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO gehemmt, wenn nur der Steuerschuldner gesetzlich verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben (Abgrenzung zum BFH v. 15.1.2015 – I R 33/13, BFH/NV 2015, 797, betr. die Haftung eines sog. Entrichtungsschuldners).
Bindungswirkung eines Aufhebungsbescheids: Nach Aufhebung eines gem. § 69 AO auf die grob fahrlässig unterlassene Erfüllung steuerlicher Pflichten des GmbH-Geschäftsführers gestützten Haftungsbescheids kann gegen den Haftungsschuldner ein auf vorsätzliche Steuerhinterziehung gestützter erneuter Haftungsbescheid § 71 AO ergehen, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte ankommt.
Erlass eines erneuten Haftungsbescheids auf abweichender Sachverhaltsgrundlage: Ein solcher Aufhebungsbescheid kann nur dann Vertrauensschutz begründen, wenn der Haftungsschuldner aus dessen Inhalt oder den Begleitumständen entnehmen konnte, dass er nicht erneut in Anspruch genommen werden solle.
FG Düsseldorf v. 13.6.2022 – 8 K 45/19 H, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VII R 20/23
b) Geschäftsführerhaftung für Abzugssteuern nach § 50a EStG
Der Geschäftsführer einer für die Einbehaltung und Abführung der Abzugssteuern beschränkt steuerpflichtiger Künstler haftenden GmbH haftet seinerseits nach § 69 AO für die Haftungsschuld der GmbH.
Ab dem Zeitpunkt der Festsetzung der Haftungsschuld gegenüber der GmbH als Vergütungsgläubigerin wird der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid gegenüber dem Geschäftsführer in sinngemäßer Anwendung des § 171 Abs. 10 AO für zwei Jahre gehemmt.
FG Düsseldorf v. 10.3.2022 – 9 K 299/21 H, rkr. (NZB als unzulässig verworfen, Az. des BFH: IX B 120/22)
c) Geschäftsführerhaftung bei Einbindung in ein Umsatz- und Kaffeesteuerkarussell
Kein Vorsteuer-Abzug: Einer in ein Umsatz- und Kaffeesteuerkarussell eingebundenen GmbH steht kein Vorsteuerabzug aus den – von ihren als "missing trader" fungierenden Lieferanten ausgestellten – Eingangsrechnungen zu, da sie sich wissentlich an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Steuerhinterziehung beteiligt.
Geschäftsführer-Haftung: Für die danach verbleibende Umsatzsteuer auf die Ausgangsleistungen eines Voranmeldungszeitraums haftet der Geschäftsführer der GmbH nach § 69 AO, wenn er seine Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe der USt-Voranmeldung grob fahrlässig verletzt und dadurch erfolgversprechende Vollstreckungsmaßnahmen des FA verhindert.
Eine grob fahrlässige Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Geschäftsführer sich lediglich mit einer Oberflächlichkeit, die jegliche Sorgfalt vermissen lässt, über die Tätigkeit und Geschäftsbelange der GmbH informiert und die rechtzeitige Erstellung und Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung weder veranlasst noch kontrolliert.
FG Düsseldorf v. 31.1.2022 – 11 K 2812/17 H, rkr. (Rechtsausführungen bestätigt durch BFH v. 10.1.2024 – XI B 24/22)