a) Zuordnung des im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlten Aufgeldes
Streitig ist die steuerliche Verlustgenerierung durch Schaffung eines neuen Anteils an einer GmbH mittels
- Kapitalerhöhungsbeschlusses mit hohem Aufgeld und
- anschließender Weiterveräußerung an den Ehepartner.
Das FG entschied dazu: Die Gewinnerzielungsabsicht bei einer Anteilsveräußerung i.S.d. § 17 EStG ist auch dann nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen, wenn unter Geltung der Rechtslage vor der Einfügung des § 17 Abs. 2a S. 5 EStG (mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451) das von dem Veräußerer im Rahmen einer Kapitalerhöhung in die Kapitalrücklage eingezahlte Aufgeld ausschließlich den Anschaffungskosten des mitveräußerten neu geschaffenen Anteils zuzuordnen war (vgl. BFH v. 27.5.2009 – I R 53/08, BFH/NV 2010, 375 = GmbH-StB 2010, 27 [Trossen]).
Kein Gestaltungsmissbrauch: Ungeachtet dieser Zuordnung der Anschaffungskosten stellt der Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung unter Aufgeldzahlung keinen – der steuerlichen Anerkennung eines hieraus resultierenden Veräußerungsverlustes entgegenstehenden – Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar.
FG Düsseldorf v. 21.6.2022 – 13 K 1149/20 E, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 12/22
b) Ermessensfehlerhafter Haftungsbescheid bei unzureichend begründeter Nichtinanspruchnahme weiterer Haftungsschuldner
Ermessensausübung: Im Fall der Haftungsinanspruchnahme des gesellschaftsrechtlichen GF aus § 69 AO, der sich auf schlechte Vermögensverhältnisse beruft, ist die rechtmäßige Ausübung des Auswahlermessens ernsthaft zweifelhaft, wenn auch eine Haftung gegen einen faktischen GF in Betracht zu ziehen ist, dies aber von der Finanzbehörde nicht näher erwogen wurde. Ermessensfehlerhaft ist es zudem, wenn die Finanzbehörde in diesem Fall geltend macht, dass der faktische GF schlechte Vermögensverhältnisse aufweist, zugleich aber die schlechten Vermögensverhältnisses des gesellschaftsrechtlichen GF nicht zum Anlass genommen hat, von dessen Inanspruchnahme abzusehen.
Auslegung: Ein "wegen Bescheid über Umsatzsteuer" erhobener AdV-Antrag, der mit Einwendungen gegen die Haftungsinanspruchnahme erhoben wurde, ist in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des gegen den Antragsteller erlassenen Haftungsbescheids wegen Umsatzsteuer auszulegen.
Hess. FG v. 23.2.2022 – 6 V 1556/21, rkr.
c) Keine GrESt-Befreiung, wenn beide an der Umwandlung beteiligen Unternehmen bereits vor dem Umwandlungsvorgang bestanden
Die in § 6a S. 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können.
Bei einer Ausgliederung zur Neugründung kann die fünfjährige Vorbehaltensfrist des § 6a GrEStG aus Rechtsgründen nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch den Umwandlungsvorgang entsteht.
Haben beide an der Umwandlung beteilige Unternehmen bereits vor dem Umwandlungsvorgang bestanden, ist die Frist des § 6a S. 3 GrEStG einzuhalten.
FG Nürnberg v. 14.7.2022 – 4 K 59/21, Rev. eingelegt, Az. des BFH: II R 31/22
d) Zinslauf von Erstattungszinsen bei freiwilligen Vorauszahlungen
Der Zinslauf von Erstattungszinsen nach § 233a AO beginnt nicht mit freiwilligen Vorauszahlungen auf ursprünglich erwartete Nachzahlungen. Entscheidend ist vielmehr die Steuerbescheidlage.
Hess. FG v. 6.7.2022 – 4 K 702/20, NZB eingelegt
e) Anforderung eines Protokolls des der Gewinnausschüttung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses
Darf das FA zur Überprüfung der eingereichten KapErtrSt-Anmeldung einer GmbH das Protokoll des der Gewinnausschüttung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses anfordern und dies ggf. auch mit Zwangsmitteln durchsetzen? Das FG entschied dazu:
Ermessensgerechtes Auskunftsersuchen: Das Anfordern des Protokolls des der Gewinnausschüttung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses zur Überprüfung der eingereichten KapErtrSt-Anmeldung stellt ein regelmäßig ermessensgerechtes Auskunftsersuchen des FA nach § 93 AO i.V.m. § 97 AO dar.
Der Zulässigkeit eines Antrags auf AdV einer Zwangsgeldandrohung steht die Festsetzung des angedrohten Zwangsgeldes nicht entgegen, wenn die Zwangsgeldfestsetzung noch nicht formell rechtskräftig ist.
Mit einem Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung können nach § 256 AO keine Einwendungen gegen den der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsakt geltend gemacht werden.
FG München v. 12.8.2022 – 7 V 749/22
f) Anwendung des § 52d FGO auf Rechtsanwaltsgesellschaft
Die Erhebung einer Klage beim FG durch einen Rechtsanwalt ist ab dem 1.1.2022 unzulässig, wenn sie nicht als elektronisches Dokument in der Form des § 52a FGO übermittelt wird. Der Verstoß gegen § 52d FGO führt zur Unwirksamkeit der Klage; die Prozesserklärung ist nicht wirksam.
Auch für Rechtsanwaltsgesellschaften gilt diese Übermittlungspflicht i.S.d. § 52d S. 1 FGO sowie des § 130d S. 1 ZPO schon seit dem 1.1.2022. Der Umstand, dass es für Rechtsanwaltsgesellschaften bisher kein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach gibt, führt nicht dazu, dass sie von der Verpflichtung zur Übermittlung elektronischer Dokumente befreit sind.
FG Berlin-Bdb. v. 6.7.2022 – 9 K 9009/22, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VII R 34/22