a) Vorlage von (elektronisch) empfangenen und abgesandten Handelspapieren
Streitig ist die Anforderung der Vorlage von (elektronisch) empfangenen und abgesandten Handels- und Geschäftspapieren sowie sonstiger Unterlagen inklusive eines Gesamtjournals im Rahmen einer Außenprüfung. Das FG entschied dazu:
Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO stehen der Finanzverwaltung nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat.
Handelsbriefe i.S.d. § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO i.V.m. §§ 257 Abs. 2, 343 HGB sind nicht auf eine bestimmte Form beschränkt, so dass auch E-Mails Handelsbriefe sein können. Schriftstücke betreffen ein Handelsgeschäft i.S.d. §§ 343 ff. HGB, wenn sie seine Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung zum Gegenstand haben.
Es besteht kein Anspruch der Finanzverwaltung auf Vorlage eines elektronischen Gesamtjournals, welches nach den Vorgaben der Finanzverwaltung Informationen zu jeder einzelnen empfangen bzw. versandten E-Mail des Steuerpflichtigen enthalten soll. Die Aufforderung zur Vorlage eines Gesamtjournals, in dem auch nicht nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtige E-Mails aufgelistet bzw. nach den Vorgaben der Finanzverwaltung dargestellt werden sollen, überschreitet die Befugnisse der Finanzverwaltung aus § 147 Abs. 6 AO und ist damit rechtswidrig.
Eine allgemein formulierte Aufforderung zur Vorlage von elektronischen Unterlagen "en bloc" kann – unter Berücksichtigung des Erstqualifikationsrechts des Steuerpflichtigen –, sowohl dem Bestimmtheitsgebot des § 119 AO genügen als auch von dem Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung nach § 147 Abs. 6 AO gedeckt bzw. verhältnismäßig sein.
FG Hamburg v. 23.3.2023 – 2 K 172/19, Rev. eingelegt, Az. des BFH: XI R 15/23
b) Offenbare Unrichtigkeit bei Eintragung falscher Kennziffern i.R.d. Umsetzung eines BP-Ergebnisses
Streitig ist, ob das FA nach einer BP ergangene Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes berichtigen konnte.
Eine Berichtigung gem. § 129 AO ist zulässig, wenn
- der Steuerpflichtige einen streitigen Hinzurechnungsbetrag in der Steuererklärung statt im Sachbereich 14 (als nicht abziehbare BA gem. § 4 Abs. 5 und § 4 Abs. 5b EStG) fälschlicherweise im Sachbereich 13 (als nicht ausgleichsfähiger Verlust, der bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht berücksichtigt wird) einträgt,
- dieser Fehler im Ergebnis bei der Veranlagung durch Verfügung eines sog. "Übernahme-Ausschluss" und die manuelle Erfassung des hinzuzurechnenden Betrags korrigiert werden,
- diese ergebnisorientierte Korrektur sodann während der Betriebsprüfung unbemerkt bleibt, da das EDV-Programm "BpA-EUR" den "Übernahme-Ausschluss" nicht automatisch berücksichtigt, und
- dieser Fehler in die nach der BP ergangenen Änderungsbescheiden übernommen wird.
Die für verschiedene VZ erfolgte Benennung unterschiedlicher Kennziffern für sachlich gleiche Beträge bei gleicher Rechtslage lässt auf einen – der Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder dem Übersehen notwendiger Eintragungen vergleichbaren – Irrtum des Betriebsprüfers über den Programmablauf schließen, soweit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Prüfer rechtliche oder tatsächliche Erwägungen vorgenommen hat und die Eintragung eines streitigen Hinzurechnungsbetrags in der Steuererklärung unter einer unzutreffenden Kennziffer und einen diesbzgl. bei der Veranlagung manuell erfassten "Übernahme-Ausschluss" wahrgenommen oder gar geprüft hat.
FG Münster v. 10.5.2023 – 13 K 327/20 G F, NZB eingelegt, Az. des BFH: III B 66/23
c) Verwertung der bei einer BP bei einem Berufsgeheimnisträger festgestellten Verhältnisse von dessen Mandanten
Es besteht ein Verwertungsverbot hinsichtlich der anlässlich einer Außenprüfung bei einem Berufsgeheimnisträger (hier: Rechtsanwalt) erlangten Kenntnisse über die Verhältnisse von dessen Mandanten, wenn der Prüfer den Geprüften nicht vorab über seine Absicht, Kontrollmaterial an die für die Besteuerung der betroffenen Mandanten zuständigen Finanzämter zu übersenden, in Kenntnis gesetzt hat.
Das auswertende Finanzamt ist darlegungs- und feststellungsbelastet hinsichtlich der Frage, ob der Prüfer seine Absicht, Kontrollmitteilungen zu fertigen, dem Geprüften im Voraus angekündigt hat. Verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten.
FG Berlin-Bdb. v. 27.2.2023 – 7 K 7160/21