a) Umsatzsteuerbare unternehmerische Tätigkeit des Geschäftsführers für die GmbH
Streitig sind die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung im Erstjahr der unternehmerischen Tätigkeit. Das FG entschied:
Geschäftsführungsleistungen eines GmbH-Geschäftsführers können als unternehmerisch i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen sein. Die Steuerbarkeit der Leistung hängt davon ab, dass der Geschäftsführer im Rahmen eines Leistungsaustauschs als Unternehmer – mithin selbständig – handelt und dass das Entgelt für seine Leistung in einem gewinnunabhängigen Sonderentgelt besteht. Umsatzsteuerrechtlich kann der Geschäftsführer innerhalb eines Jahres sowohl teilweise selbständig als auch teilweise unselbständig tätig sein.
Für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im Jahr der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen; insoweit ist die im Streitjahr geltende Grenze des § 19 Abs. 1 UStG (im Streitjahr 2016: 17.500 EUR) maßgebend und der Grenzwert des § 19 Abs. 1 UStG für das Folgejahr (im Streitjahr 2016: 50.000 EUR) spielt keine Rolle.
Der relevante Jahresumsatz für die Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG ist im "Erstjahr" der unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich auf Basis der vom Unternehmer prognostizierten Zahlen zum Zeitpunkt der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit festzustellen. Bestand zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH bei Beginn der unternehmerischen Tätigkeit die Vereinbarung einer zunächst unentgeltlichen Tätigkeit des Geschäftsführers, konnte der Geschäftsführer zu diesem Zeitpunkt von einer Unterschreitung der Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 UStG ausgehen und die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Das gilt auch dann, wenn später nachträglich und rückwirkend eine die Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 UStG überschreitende Vergütung vereinbart worden ist.
FG München v. 27.2.2024 – 5 K 1794/22
b) Kein Vorsteuerabzug einer Gerüstbau-GmbH aus nur zum Schein abgeschlossenen Nachunternehmerverträgen
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rechnungen von vermeintlichen Subunternehmern im Gerüstbaugewerbe. Das FG entschied dazu:
Ein "vorgeschobenes" Strohmanngeschäft ist nach § 41 Abs. 2 AO unbeachtlich, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien – der "Strohmann" und der Leistungsempfänger – einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen. Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der "Strohmann" keine eigene Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.
Feststellungslast für ein Scheingeschäft: Da das Steuerrecht an tatsächliche Leistungsvorgänge anknüpft, kommt es auf das Vorhandensein zivilrechtlich wirksamer Verträge oder Leistungspflichten nicht an. Maßgeblich ist, dass die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis eines Scheingeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Für das Vorliegen von Scheingeschäften trägt das FA die Feststellungslast, das sich auf die Unwirksamkeit der vorgetäuschten Geschäfte beruft.
Einem Gerüstbauunternehmen steht der Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Nachunternehmen über Gerüstbauleistungen nicht zu, wenn
- die schriftlichen Verträge mit den Nachunternehmen nur zum Schein abgeschlossen worden sind,
- die Mitglieder der eingesetzten Gerüstbaukolonnen nur zum Schein bei den Nachunternehmen als Beschäftigte angemeldet worden sind und
- die für die Nachunternehmen verantwortlich auftretenden Personen in Wirklichkeit nur zur Erstellung von Abdeckrechnungen zur Verschleierung von Schwarzarbeit benutzt worden sind.
Für Scheingeschäfte spricht es insbesondere, wenn die für die Nachunternehmen verantwortlichen Personen keinerlei Branchenkenntnisse im Gerüstbau haben und sich ihre Aufgaben im Wesentlichen darauf beschränken, Abdeckrechnungen nach den vom auftraggebenden Unternehmen vorgegebenen Aufmaßen zu schreiben und Bargeld an die Kolonnenführer der eingesetzten Gerüstbaukolonnen zu verteilen.
FG Baden-Württemberg v. 25.11.2021 – 1 K 815/19