a) Hinreichende Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung
Funktion eines Buchnachweises: Die gesetzlich vorgeschriebene Festschreibung der (künftigen) Vermögensverwendung hat – wie § 60 Abs. 1 AO – die Funktion eines Buchnachweises.
Die hinreichende Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung erfordert deshalb nach Maßgabe der Mustersatzung klare Angaben dazu,
- an welche konkrete Empfangskörperschaft (sog. Destinatär) das steuerbegünstigt angesammelte Vermögen später übergehen soll und/oder
- zur Verwirklichung welcher konkreten steuerbegünstigten Zwecke der (unbenannt bleibende) Destinatär das übergegangene Vermögen im Anschluss ausschließlich und unmittelbar einsetzen soll.
"Gemeinnützig" und "mildtätig" nicht ausreichend: Die Zwecke sind dabei jedenfalls, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt, so weit wie möglich zu konkretisieren, wofür die allgemeine Wiedergabe der Gesetzesbegriffe "gemeinnützig" und "mildtätig" nicht genügt.
FG Nds. v. 25.4.2024 – 10 K 70/21, Rev. eingelegt, Az. des BFH: V R 10/24
b) Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen Mittelfehlverwendung
Ein eigenmächtiges Handeln eines Organs kann der gGmbH grundsätzlich nur dann zugerechnet werden, wenn der Sachverhalt den anderen Organen infolge grober Vernachlässigung der ihnen obliegenden Überwachungspflichten verborgen geblieben ist (vgl. BFH v. 27.9.2001 – V R 17/99, BStBl. II 2002, 169 = UStB 2002, 82 [Klünemann]).
Eine solche grobe Vernachlässigung der Überwachungspflichten des Aufsichtsrats einer gGmbH setzt voraus, dass die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt, zu der sie nach ihren persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und imstande gewesen wären, in ungewöhnlich hohem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt haben.
Eigenmächtig bewirkte überhöhte Gehaltszahlungen an die Geschäftsführerin einer gemeinnützigen GmbH begründen daher keine gemeinnützigkeitsschädliche Mittelfehlverwendung, wenn die vorgenommene Vergütungserhöhung durch bewusste Täuschung gegenüber dem Aufsichtsrat verschleiert worden ist.
FG Düsseldorf v. 15.4.2024 – 6 K 2425/21
c) gGmbH: Prüfungstiefe des § 60a Abs. 6 AO bei Versagung des Freistellungsbescheids
Die gGmbH muss durch ihre Geschäftsführung insbesondere die in der Satzung bestimmten steuerbegünstigten Zwecke tatsächlich verfolgen. § 60a Abs. 6 S. 1 AO weist diesbezüglich keine eingeschränkte Prüfungstiefe auf. Die Anwendung der Norm ist nicht auf Missbrauchsfälle beschränkt.
FG Berlin-Bdb. v. 14.11.2023 – 8 K 8012/23
Beraterhinweis Das FA kann einen Freistellungsbescheid versagen, wenn bis zum Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen KSt-Bescheids oder Freistellungsbescheids bereits Erkenntnisse vorliegen, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt. § 60a Abs. 6 AO wurde durch JStG 2020 (BGBl. I 2020, 3096) eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll hierdurch die rechtsmissbräuchliche Verwendung des Feststellungsbescheids ausgeschlossen werden. In der Begründung wird ausdrücklich auf Missbrauchsfälle sog. extremistischer Organisationen verwiesen (BT-Druck. 19/25160, S. 204).