a) Keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG bei Übertragung auf eine Vielzahl von Erwerbern
Eine GmbH & Co. KG betrieb ein Photovoltaikkraftwerk. In 2015 änderten sich bei der GmbH & Co. KG die Beteiligungsverhältnisse. Es wechselten nicht nur die bisherige Komplementärin, sondern auch die Kommanditisten. Nachdem sämtliche Kommanditanteile zunächst auf A übertragen wurden, gingen sie bis Ende 2015 von diesem auf zehn verschiedene Gesellschaften über, an denen wiederum diverse Kommanditisten beteiligt waren. Sämtliche Photovoltaik-Module wurden einzeln an die zehn verschiedenen Gesellschaften verkauft. Streitig ist, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt. Das FG entschied:
Es liegt keine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG bei der entgeltlichen Übertragung eines ehemals allein vom Veräußerer betriebenen Unternehmens auf eine Vielzahl (hier: zehn) von Erwerbern vor.
Schl.-Holst. FG v. 14.3.2024 – 4 K 75/23, Rev. eingelegt, Az. des BFH: XI R 12/24
b) Begründung der Ermessensausübung zur Beibehaltung eines Verspätungszuschlags
Streitig ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei Ersetzung eines zu einer USt-Nachzahlung führenden Steuerbescheids durch einen nunmehr zu einer USt-Erstattung führenden geänderten Steuerbescheid. Das FG entschied:
Wird ein zu einer Nachzahlung führender geschätzter Umsatzsteuerbescheid geändert, ergibt sich nunmehr eine Erstattung und will die Finanzbehörde den ursprünglich festgesetzten Verspätungszuschlag beibehalten, so muss sie ihre nunmehr erforderliche Ermessensausübung nach § 152 Abs. 1 AO begründen, auf die für den konkreten Sachverhalt bedeutsamen Tatsachen eingehen und diese in ihre Ermessensentscheidung einfließen lassen. Dafür gibt § 152 Abs. 2 AO Anhaltspunkte, was i.R.d. Festsetzung eines Verspätungszuschlages für eine Ermessensentscheidung für bedeutend gehalten werden kann.
Wird zur Begründung lediglich angeführt, die Steuerpflichtige habe bereits USt-Erklärungen für Vorjahre nicht eingereicht und die verspätete Einreichung der aktuellen USt-Erklärung sei damit eine wiederholte Nichtabgabe/verspätete Abgabe einer Steuererklärung, wird auf andere bedeutsame Tatsachen (z.B. Folgen der Pflichtverletzung für den wirtschaftlich nicht erfolgreichen Steuerpflichtigen und Auswirkungen des Verspätungszuschlags auf die wirtschaftliche Situation usw.) aber nicht eingegangen, so ist der Verspätungszuschlag ermessensfehlerhaft und aufzuheben.
FG Berlin-Bdb. v. 13.3.2024 – 7 K 7067/22, Rev. eingelegt, Az. des BFH: XI R 19/24
c) Erlass von Nachzahlungszinsen zur USt aus Billigkeitsgründen
Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer sind aus Billigkeitsgründen zu erlassen, soweit der Unternehmer nur unterjährige Zinsvorteile erlangt hat.
FG Rheinland-Pfalz v. 18.4.2024 – 3 K 1447/23, Rev. eingelegt, Az. des BFH: V R 8/24
Beraterhinweis Das FG entschied im Parallelverfahren, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur USt nicht gegen höherrangiges Unionsrecht verstößt (FG Rheinland-Pfalz v. 18.4.2024 – 3 K 1936/22, Rev. eingelegt, Az. des BFH: V R 7/24).
d) Personengesellschaft als Organgesellschaft: Wegfall der organisatorischen Eingliederung bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Streitig ist, ob die B-GmbH & Co. KG als Organgesellschaft – mittlerweile im Insolvenzverfahren – und der A als Organträger Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft waren. Das FG entschied:
Selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der Organgesellschaft bleibt, entfällt die organisatorische Eingliederung, wenn für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt bestellt wird.
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass – jedenfalls – Personengesellschaften mit kapitalistischer Struktur – wie die GmbH & Co. KG – als "juristische Personen" in den Anwendungsbereich einzubeziehen sind.
Die Entscheidung darüber, ob für die Organschaft eines Organträgers mit einer Personengesellschaft
- die neue Rechtsprechung (Personengesellschaft ist geeignete Organgesellschaft) oder
- die alte Rechtsprechung (nur juristische Personen sind geeignete Organgesellschaften)
als Beurteilung herangezogen werden soll, obliegt nach der Struktur einer Organschaft dem Organträger.
Für eine Organschaft ist einheitlich zu beurteilen, wer welche Rolle innerhalb der Organschaft einnimmt.
FG Berlin-Bdb. v. 18.10.2023 – 7 K 7031/18
e) USt-Freiheit der Umsätze aus der Verwaltung von Hedgefonds
Streitig ist, ob – im Streitjahr 2018 – Umsätze der A-GmbH aus der Verwaltung von Investmentvermögen nach § 4 Nr. 8 Buch. h UStG befreit sind.
Für die Umsätze aus der Verwaltung von Hedgefonds i.S.d. § 283 KAGB besteht (bis einschließlich 2023) keine Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG, da diese Investmentfonds (Spezial-AIF i.S.d. § 1 Abs. 6 KAGB) aufgrund ihres Klein- und Privatanleger ausschließenden Anlegerkreises nicht mit Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB vergleichbar sind.
FG Düsseldorf v. 20.3.2024 – 5 K 2912/20 U
Beraterhinweis Ab dem 1.1.2024 ist die Verwaltung sämtlicher AIF umsatzsteuerbefreit, da durch das Gesetz zur Finanzierung zukunftssicherer Investitionen v. 11.12.2023 (BGBl. I 2023 Nr. 354, dort Art. 18) das Tatbestandsmerkmal des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG "mit diesen vergleichbar" gestrichen wurde.
f) § 14c UStG: Organträger als Schuldner der USt
A betreibt ein Einzelunternehmen und ist zudem Gesellschafter und Geschäftsführer (GGF) der B-GmbH und der C-GmbH...