Die Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide wird gem. § 191 Abs. 3 S. 2 AO – abweichend von den allgemeinen Regelungen – unter der Voraussetzung einer Steuerhinterziehung ausdrücklich nur bei Haftungstatbeständen nach § 70 AO und § 71 AO auf zehn Jahre verlängert, in anderen Haftungsfällen – also z.B. bei der Haftung gem. § 69 AO – jedoch auch dann nicht, wenn Steuern hinterzogen wurden.
Der Erfolg einer Steuerhinterziehung tritt bei der KSt (erst) mit der Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheids ein und nicht schon mit der Abgabe der Steuererklärung (hier: durch den GF einer GmbH). Für die Anwendung des § 71 AO reicht eine durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung versuchte Steuerhinterziehung jedoch nicht aus, so dass insoweit auch eine Verlängerung der Festsetzungsfrist für den gegen den GF ergangenen Haftungsbescheid auf zehn Jahre gem. § 191 Abs. 3 S. 2 AO nicht in Betracht kommt. Durch die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung wird auch keine Steuerverkürzung i.S.d. § 378 AO verwirklicht.
Verjährung: § 191 Abs. 3 S. 4 Halbs. 2 AO bestimmt keinen absoluten Endzeitpunkt, sondern den frühestmöglichen Zeitpunkt des Verjährungseintritts. Aus § 191 Abs. 3 S. 4 Halbs. 2 AO i.V.m. § 171 Abs. 10 AO ergibt sich nicht, dass nach dem Erlass des Festsetzungsbescheids innerhalb eines Zweijahreszeitraums der Haftungsbescheid ergehen muss. Der Bescheid über die Festsetzung der Steuer entfaltet auf den Haftungsbescheid dieselbe Wirkung wie ein Grundlagenbescheid. Daher kann ein Haftungsbescheid noch innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Bescheides über die Festsetzung der Erstschuld erlassen werden – wobei es unbeachtlich ist, ob die Festsetzung der dem Haftungsanspruch zugrunde liegenden Steuer vor oder nach Ablauf der normalen Festsetzungsfrist des § 191 Abs. 3 S. 2 AO erfolgt ist.
Die Anordnung der sinngemäßen Anwendung von § 171 Abs. 10 AO durch § 191 Abs. 3 S. 4 Alt. 2 AO bezieht sich lediglich auf den dort angegebenen Zeitraum von zwei Jahren, ohne den gesamten Regelungsinhalt von § 171 Abs. 10 AO auf Haftungsbescheide zu übertragen. Von der in § 191 Abs. 3 S. 4 AO getroffenen Regelung werden nicht nur Fälle der Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 AO), sondern auch die Fälle einer Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 5 AO) – z.B. im Fall einer Steuerfahndungsprüfung – erfasst.
FG Berlin-Bdb. v. 17.12.2019 – 4 K 4241/16, rkr. (Rücknahme der Revision VII R 5/20)