a) Freibetrag für Alleinerziehende und Günstigerprüfung beim Wechselmodell
Der Abzug der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 EStG setzt auch beim Wechselmodell (bei dem das Kind gleichwertig in den jeweiligen Haushalten seiner nicht miteinander verheirateten Elternteile aufgenommen ist) voraus, dass der jeweilige Elternteil die Kinderbetreuungskosten tatsächlich getragen hat. Bei einer fehlenden einvernehmlichen Regelung der Eltern steht der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG auch beim Wechselmodell dem Elternteil zu, der das Kindergeld erhält.
Bei der nach § 31 S. 4 Halbs. 2 EStG vorzunehmenden Günstigerprüfung ist auch beim Wechselmodell dem Elternteil der hälftige Kindergeldanspruch dem einfachen Kinderfreibetrag gegenüberzustellen, an den das Kindergeld nicht ausgezahlt wird.
Thür. FG v. 23.11.2021 – 3 K 799/18, EFG 2022, 155, Rev. eingelegt, Az. des BFH: III R 1/22
b) Aufwendungen für künstliche Befruchtung
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sein. Dafür ist es erforderlich, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer "Krankheit" der Frau oder des Mannes beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Eine chromosomale Translokation mit erheblichen hieraus resultierenden Risiken und möglichen Folgen für ein auf natürlichem Weg gezeugtes Kind ist als Krankheit einzuordnen.
Die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung kommt bei einer Einzelveranlagung gem. § 25 EStG angesichts der für beide Partner bestehenden Zwangslage zwingend bei dem Partner/der Partnerin in Betracht, dem/der die Aufwendungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG "erwachsen" sind, weil er/sie die Aufwendungen tatsächlich und auf Grund der gleichgerichteten Interessenlage zumindest auch aus eigenem Interesse getragen hat.
FG Nds. v. 14.12.2021 – 6 K 20/21, EFG 2022, 686, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 2/22
c) Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Leihmutterschaft
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung im Zusammenhang mit einem Ersatzmutterschaftsverhältnis (Leihmutterschaft) sind nicht als außergewöhnliche Belastungen (agB) i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar. Voraussetzung für eine Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als agB ist, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht vorgenommen wird. Denn eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG begründen. Vielmehr ist von den Steuerpflichtigen zu erwarten, dass sie gesetzliche Verbote beachten. Aufwendungen für nach objektiv-rechtlichen Maßstäben verbotene Behandlungsmaßnahmen (wie im Streitfall) sind selbst dann nicht zwangsläufig, wenn sie nicht straf- oder bußgeldbewehrt sind oder wegen eines Strafausschließungsgrundes nicht geahndet werden.
Als außergewöhnliche Belastungen sind daher Kosten für eine künstliche Befruchtung nur zu berücksichtigen, wenn die aufwandsbegründende Behandlung
- insbesondere nicht gegen das deutsche ESchG verstößt und
- mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte im Einklang steht.
Auch künstliche Befruchtungen oder andere reproduktionsmedizinische Behandlungen im Ausland sind nach der Rechtsprechung für Zwecke der steuerlichen Abziehbarkeit nach § 33 Abs. 1 EStG an den Regelungen des deutschen ESchG zu messen. Steht die Behandlung nicht mit diesen Regelungen im Einklang, sind die entsprechenden Aufwendungen auch dann steuerlich nicht abziehbar, wenn die Behandlung im Land der durchgeführten reproduktionsmedizinischen Behandlung – wie im Streitfall – zulässig ist.
FG Münster v. 7.10.2021 – 10 K 3172/19 E, EFG 2022, 249, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 29/21
d) Keine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG bei Kapitalauszahlungen aus einer Pensionszusage in mehreren VZ
Außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 1 und 2 EStG sind grundsätzlich nur zu bejahen, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem VZ zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Nur ausnahmsweise ist § 34 Abs. 1 EStG trotz des Zuflusses in zwei VZ auch dann anzuwenden, wenn der Stpfl. nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird oder wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Teilleistung bedingen und bei Nichtanwendung der Zweck des Gesetzes verfehlt würde.
Thür. FG v. 28.7.2021 – 1 K 478/20, EFG 2022, 252, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 19/21
e) Kein Sonderausgabenabzug für an einen Solidarverein gezahlte Beiträge
Beiträge an eine Solidargemeinschaft zur Absicherung im Krankheitsfall sind nicht als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig, sofern sich bei Auslegung der Satzung der Gemeinschaft unter Berücksichtigung aller weiteren Begleitumstände kein Rechtsanspruch der Mitglieder auf Leistungen der Solidargemeinschaft herleiten lässt.
FG Münster v. 9.2.2022 – 11 K 820/19 E, EFG 2022, 661 – NZB eingelegt, Az. des BFH: X B 24/22
f) Haushaltsnahe Dienstleistungen i.S.d. § 35a Abs. 2 EStG
Aufwendungen für Müllentsorgung und Schmutzwasser können nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen i.S.d. § 35a Abs. 2 EStG geltend gemacht werden.
FG Münster v. 24.2.2022 – 6 K 1946/21 E, EFG 2022, 697, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 8/22