Vom FG entschiedene und zwischenzeitlich beim BFH anhängige Verfahren
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB
Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über ausgewählte praxisrelevante Entscheidungen aus der FG-Rechtsprechung, die in der Zwischenzeit (seit der letzten Auswertung in EStB 2022, 274) beim BFH anhängig sind.
1. Gewinneinkünfte
a) Abzinsung bei lediglich bedingter Zinsabrede
Liegt für Verbindlichkeiten nur eine bedingte Zinsvereinbarung vor und ist die Bedingung für die Verzinsung im Streitzeitraum noch nicht eingetreten, ist von einer Unverzinslichkeit der Verbindlichkeit auszugehen, die damit gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG abzuzinsen ist.
FG Berlin-Bdb. v. 30.11.2021 – 15 K 1146/18, EFG 2022, 1031, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 3/22
b) Zur Einbeziehung eines nicht vorhersehbaren fiktiven Aufgabegewinns in Totalgewinnprognose
Die Gewinnerzielungsabsicht ist bei einer gewerblichen Tätigkeit durch eine Totalgewinnprognose zu ermitteln. Dabei ist ein sich möglicherweise ergebender Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/-verlust jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn ein solcher in einem bei Betriebsbeginn vorliegenden Betriebskonzept nicht berücksichtigt worden ist.
FG Mecklenburg-Vorpommern v. 22.12.2021 – 3 K 412/17, EFG 2022, 1037, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 3/22
c) Unechte Realteilung bei Übertragung eigener Aktien
Die Realteilungsgrundsätze finden auch dann Anwendung, wenn im Zuge des Ausscheidens eines Mitunternehmers Anteile als Sachwertabfindung übertragen werden und diese durch die Übertragung zu eigenen Aktien der ausscheidenden Mitunternehmerin werden. Das FG entschied weiterhin, dass die spätere Einziehung der übertragenen Aktien im vereinfachten Einziehungsverfahren keine Sperrfristverletzung darstellt.
Hess. FG v. 31.3.2022 – 8 K 590/20, EFG 2022, 1367, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 16/22 und Hess. FG v. 31.3.2022 – 8 K 589/20, EFG 2022, 1373, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 15/22
d) Verrechenbare Verluste nach § 15a EStG bei Umwandlung einer KG in eine Kapitalgesellschaft
Wird eine Personengesellschaft formwechselnd in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, können nicht verbrauchte verrechenbare Verluste des Kommanditisten nicht mit einem Veräußerungsgewinn verrechnet werden, den der – vormalige – Kommanditist bei Veräußerung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft erzielt.
Hess. FG v. 26.1.2022 – 9 K 844/20, EFG 2022, 944, Rev. eingelegt, Az. des BFH: X R 5/22
e) § 15a Abs. 3 EStG bei unentgeltlicher Anteilsübertragung
Im Streitfall ging es um einen Kommanditisten einer KG, der eine Entnahme tätigte, die grundsätzlich geeignet ist, eine Gewinnhinzurechnung gem. § 15a Abs. 3 S. 1 EStG auszulösen, die aber wegen der sich daraus nach § 15a Abs. 1 S. 2 EStG ergebenden Haftung im konkreten Fall keine Gewinnhinzurechnung nach sich zieht.
Überträgt der Kommanditist sodann seine Kommanditbeteiligung unentgeltlich auf einen Rechtsnachfolger, so findet bei diesem eine Gewinnhinzurechnung aufgrund der von dem Rechtsvorgänger getätigten Entnahme auch dann nicht statt, wenn der Rechtsnachfolger an dem der Anteilsübertragung nachfolgenden Bilanzstichtag noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist.
FG Düsseldorf v. 1.7.2021 – 11 K 1039/21 F, EFG 2022, 1098, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 17/21
f) Teleologische Reduktion von § 15a Abs. 3 EStG
§ 15a Abs. 3 S. 1 EStG ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Gewinnhinzurechnung nicht nur ausgeschlossen ist, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach Abs. 1 S. 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, sondern auch soweit eine Haftung nach Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB generell besteht.
FG Köln v. 16.2.2022 – 12 K 509/19, EFG 2022, 1194, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 11/22
g) Anwendungsbereich und Verfassungsmäßigkeit des § 15b EStG
Ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG kann auch bei einer wirtschaftlich sinnvollen Betätigung vorliegen. Maßgeblich ist allein, ob im Rahmen einer modellhaften Gestaltung dem Steuerpflichtigen die Zuweisung von Verlusten in der Anfangsphase der Investition in Aussicht gestellt wird.
Die Beschränkung der Verlustverrechnung gem. § 15b EStG greift auch bei Definitivverlusten ein. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß – und nicht verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass verrechenbare Verluste im Falle des Definitivwerdens zu abzugsfähigen Verlusten werden.
FG Mecklenburg-Vorpommern v. 25.1.2022 – 3 K 348/17, EFG 2022, 1198, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 6/22
h) Veräußerung einer privaten, das gesamte Nennkapital umfassenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
Auf die Veräußerung einer das gesamte Nennkapital umfassenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die im Privatvermögen gehalten wird, sind die §§ 16, 34 EStG nicht – auch nicht wahlweise – anwendbar. Im Streitfall unterfiel die Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen 100 %-Anteilen an einer Kapitalgesellschaft der Vorschrift des § 17 EStG.
FG Düsseldorf v. 26.1.2022 – 2 K 2668/19 E, EFG 2022, 755, NZB eingelegt, Az. des BFH: IX B 18/22
i) Veräußerung eines neu geschaffenen Kapitalgesellschaftsanteils gemeinsam mit Altanteilen
Im Rahmen des § 17 EStG ist die Gewinnerzielungsabsicht nicht anhand jedes einzelnen veräußerten Anteils, sondern einheitlich für alle veräußerten Anteile zu prüfen. Auch der neu eingefügte § 17 Abs. 2a S. 5 EStG spricht dafür, dass der Gesetzgeber von einer einheitlichen Überprüfung der Gewinnerzielungsabsicht bei § 17 Abs. 1 S. 1 EStG a.F. ausgegangen ist. Denn es hätte der Neuregelung nicht bedurft, wenn i.R.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG den ...