Vom FG entschiedene und zwischenzeitlich beim BFH anhängige Verfahren
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB
Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über ausgewählte praxisrelevante Entscheidungen aus der FG-Rechtsprechung, die in der Zwischenzeit (seit der letzten Auswertung in EStB 2021, 33) beim BFH anhängig sind.
1. Gewinneinkünfte
a) Entnahme als Anschaffung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
Das in § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG enthaltene Tatbestandsmerkmal der "Anschaffung" ist unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik sowie des Regelungszwecks der Vorschrift dahingehend auszulegen, dass auch die Entnahme eines Wirtschaftsguts als anschaffungsähnlicher Vorgang gilt. Anschaffungskosten entstehen in diesem Fall in Höhe des Teilwerts (vgl. hierzu auch: Günther, Ist die "Entnahme" ein "anschaffungsnaher Aufwand" nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG? – Rechtsfolgen der Sichtweise des FG Köln, EStB 2021, 401).
FG Köln v. 25.2.2021 – 11 K 2686/18, EFG 2021, 1902, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 7/21
b) Avalprovisionen als Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG
Provisionen für einen Avalkredit gehören nach Auffassung des FG Mecklenburg-Vorpommern zu den Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG.
FG Mecklenburg-Vorpommern v. 26.5.2021 – 3 K 199/20, EFG 2021, 2042, Rev. eingelegt, Az. des BFH: X R 15/21
c) Gestaltungsmissbrauch bei wechselseitiger Veräußerung von GmbH-Anteilen unter Wert
Die wechselseitige Veräußerung einer GmbH-Beteiligung an den jeweils anderen Mitgesellschafter zu gleichen Konditionen bei einer aus zwei Gesellschaftern mit gleichen Anteilen bestehenden GmbH ist als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO anzusehen, wenn der vereinbarte Veräußerungspreis in einem krassen Missverhältnis zum vom FA ermittelten Beteiligungswert steht.
Sächs. FG v. 6.5.2021 – 8 K 1102/20, EFG 2021, 2063, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 18/21
d) Abgrenzung "gewerbliche Einkünfte – private Vermögensverwaltung" bei Erwerb von Forderungen
Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung gewerblicher Einkünfte von einer privaten Vermögensverwaltung im Falle des Erwerbs und der Einziehung von Forderungen ist die Unterscheidung danach, ob der Erwerber
- die Forderung vorrangig erworben hat, um Früchte zu ziehen (d.h. Zinsen zu erwirtschaften) oder
- eine notleidende Forderung erworben hat, um vorrangig die – bereits fällige – Forderung einzuziehen.
Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles ist im ersten Fall von einer privaten Vermögensverwaltung und im zweiten Fall von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen.
Das FG entschied ferner, dass es für die sog. Abfärbewirkung oder Infizierung von Personengesellschaften gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Alt. 2 EStG nicht genügt, wenn eine an einer weiteren Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft als Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist. Vielmehr wird auch ein "Bezug" von Gewinnanteilen i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG aus dieser gewerblichen Mitunternehmerschaft vorausgesetzt. Eine Abfärbung kann nicht alleine zu einer Gewerbesteuerpflicht führen.
FG Berlin-Bdb. v. 11.3.2021 – 6 K 6322/17, EFG 2021, 2065, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 10/21
e) Passivierung von Verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren
Für gem. § 144 InsO auf Grund der Zahlung auf Anfechtungsansprüche entstehende Forderungen ist beim Insolvenzschuldner keine spiegelbildliche – den Erlös aus der Zahlung kompensierende – Verbindlichkeit zu passivieren, wenn sich auf Grund der konkreten Ausgestaltung der Vergleichsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Anfechtungsgegner keine wirtschaftliche Belastung des Insolvenzschuldners ergibt.
FG Münster v. 24.8.2021 – 6 K 3905/19 E, EFG 2022, 31 – NZB eingelegt, Az. des BFH: III B 117/21
f) "Bereederung im Inland" i.S.d. § 5a EStG
Die Finanzverwaltung verlangt für das Tatbestandsmerkmal der inländischen Bereederung, dass die wesentlichen Tätigkeiten der Bereederung zumindest fast ausschließlich im Inland durchgeführt werden, was auch bei Delegation einzelner Aufgaben der Bereederung auf andere Unternehmen gelten soll. Nach Auffassung des FG ist die Auslegung des Merkmals der Bereederung im Inland i.S. einer "fast ausschließlich" im Inland zu erfolgenden Bereederung zu eng. Eine Bereederung im Inland gem. § 5a Abs. 1 S. 1 EStG setzt nach Auffassung des FG lediglich eine überwiegend inländische Bereederung und nicht eine fast ausschließliche inländische Bereederung voraus.
FG Nds. v. 15.12.2020 – 12 K 247/17, EFG 2022, 91, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 15/21
2. Gewerbesteuer
a) Tonnagebesteuerung und Sondervergütungen
Dem nach der Tonnage gem. § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn sind Sondervergütungen auch insoweit hinzuzurechnen, als sie nach der Betriebsveräußerung/-aufgabe entstanden sind. Sondervergütungen, die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstehen, zählen jedoch nicht zum fiktiven Gewerbeertrag i.S.d. § 7 S. 3 Alt. 1 GewStG (i.d.F. des JStG 2019). Denn die Vorschrift führt lediglich zu einer Fiktion von Gewerbeertrag, nicht jedoch zur Fiktion eines Gewerbebetriebes.
FG Hamburg v. 4.5.2021 – 2 K 61/19, EFG 2021, 1842; Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 14/21
b) Hinzurechnung des Gewinnanteils eines in den USA ansässigen stillen Gesellschafters (§ 8 Nr. 3 GewStG 1999)
Die Hinzurechnung des Gewinnanteils eines in den USA ansässigen stillen Gesellschafters nach § 8 Nr. 3 GewStG 1999 verstößt nicht gegen die Diskriminierungsverbote in Art. 24 Abs. 3, Abs. 4 DBA-USA 1989. Denn diese Diskriminierungsverbote erfassen nur Ungleich...