Vom FG entschiedene und zwischenzeitlich beim BFH anhängige Verfahren
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, StB
Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über ausgewählte praxisrelevante Entscheidungen aus der FG-Rechtsprechung, die in der Zwischenzeit (seit der letzten Auswertung in EStB 2024, 256) beim BFH anhängig sind.
1. Gewinneinkünfte
a) Erneuter Wechsel der Gewinnermittlungsart trotz formeller Bestandskraft nach Betriebsprüfung
Im Streitfall ging es um einen nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen, der zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gewechselt hatte. Das FA führte bei ihm eine Betriebsprüfung durch; die zum Prüfungszeitraum ergangenen Steuerbescheide waren bestandskräftig. Nach der Betriebsprüfung erließ das FA Änderungsbescheide zu Lasten des Steuerpflichtigen. Das FG vertritt die Auffassung, dass der Steuerpflichtige i.R.d. hiergegen gerichteten Einsprüche sein Wahlrecht der Gewinnermittlungsart neu ausüben kann, um Mehrergebnisse zu kompensieren.
Thür. FG v. 31.8.2022 – 4 K 599/21, EFG 2024, 1020, Rev. eingelegt, Az. des BFH: X R 1/23
b) Betriebsausgaben bei Abrechnungsbetrug durch Verwandten
Geldbeträge, die ein Unternehmer seinem Bruder zur Abwicklung betrieblicher Angelegenheiten übergibt und die der Bruder anschließend veruntreut, können nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn der Unternehmer den Bruder nicht wie einen fremden Mitarbeiter kontrolliert. Denn für einen Betriebsausgabenabzug bedarf es einer sorgfältigen Prüfung des objektiven, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Das gilt vor allem, wenn eine unerlaubte Handlung, die zu einem Verlust an Betriebsvermögen führt, aus einer Situation heraus begangen wurde, in der private und berufliche/betriebliche Momente eng miteinander verwoben sind oder einander überlagern. Die hiermit verbundenen Vermögensverluste des Geschädigten sind nur dann gewinnwirksam, wenn einwandfrei feststeht, dass das auslösende Moment für die in Frage stehende Wertabgabe ausschließlich im betrieblich/beruflichen Bereich liegt.
Sächs. FG v. 15.12.2021 – 2 K 772/14, EFG 2024, 1119, Rev. eingelegt, Az. des BFH: X R 21/23
c) Nichtberücksichtigung nachträglicher Einlagen nach § 15a Abs. 1a EStG: verfassungsgemäß
Die Regelung des § 15a Abs. 1a EStG, die nachträgliche Einlagen eines Kommanditisten bei der Bemessung eines Verlustausgleichsvolumens für den horizontalen Verlustausgleich in zukünftigen Veranlagungszeiträumen unberücksichtigt lässt, ist nach Auffassung des FG Köln verfassungsgemäß und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
FG Köln v. 9.3.2023 – 15 K 1435/20, EFG 2024, 1133, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 27/23
d) Mitunternehmerschaft bei stiller Beteiligung durch Erbringung von Dienstleistungen
Wenn sich die Bedeutung der Tätigkeit der stillen Gesellschafter i.R.d. stillen Beteiligung in der vereinbarten Gewinnverteilung derart darstellt, dass die von den stillen Gesellschaftern zu erbringenden Dienstleistungen als gleich bedeutsam gewichtet werden wie das vom Unternehmer erbrachte Eigenkapital und getragene Finanzierungsrisiko, ist von einer überkompensierenden Mitunternehmerinitiative – und damit einer Mitunternehmerschaft – auszugehen.
FG Baden-Württemberg (Außensenate Freiburg) v. 23.2.2023 – 3 K 2942/20, EFG 2024, 1198, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 24/23
e) Anwendbarkeit des § 34a Abs. 5 S. 2 EStG bei Übertragung von Geld
Die begünstige Besteuerung nicht entnommener Gewinne nach § 34a EStG kann auch für Geldbeträge in Anspruch genommen werden, die in einen anderen Betrieb überführt wurden (§ 34a Abs. 5 S. 2 EStG).
FG Köln v. 16.11.2023 – 1 K 856/18, EFG 2024, 1217, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 23/23
Beraterhinweis Die Entscheidung des FG steht im Gegensatz zur aktuellen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290-a/07/10001 – DOK 2008/0431405, EStB 2008, 315 [Apitz] = BStBl. I 2008, 838 Rz. 32), wonach § 34a Abs. 5 S. 2 EStG nicht anzuwenden ist, wenn Geldbeträge von einem Betrieb oder Mitunternehmeranteil in einen anderen Betrieb oder Mitunternehmeranteil des Steuerpflichtigen unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 EStG überführt oder übertragen werden.
f) Aufzeichnungspflichten gem. § 4 Abs. 7 EStG beim häuslichen Arbeitszimmer
Nach Auffassung des Hessischen FG sind die Aufzeichnungspflichten für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gem. § 4 Abs. 7 EStG im Falle einer Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG nur dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige sämtliche Aufwendungen von Anfang an, fortlaufend und zeitnah – insbesondere gesondert von sonstigen BA und in einer einzigen Aufstellung – schriftlich festhält.
Hess. FG v. 13.10.2022 – 10 K 1672/19, EFG 2024, 1290, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VIII R 6/24
g) Rückwirkende Anwendung der Regelungen zu Fondsetablierungskosten
Miet- oder Pachtgarantiezahlungen im Rahmen eines Immobilienanlageprojekts unter Beteiligung eines geschlossenen Immobilienfonds können Fondsetablierungskosten i.S.d. § 6e Abs. 2 EStG darstellen. Das FG Hamburg hat auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung von § 6e EStG auf den VZ 2014 (§ 52 Abs. 14a EStG).
FG Hamburg v. 21.2.2024 – 6 K 27/22, EFG 2024, 1292, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IX R 13/24
h) Gewinnbegriff i.S.d. § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG
"Gewinn" i.S.d. § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG ist nicht der Steuerbilanzgewinn, sondern der steuerliche Gewinn i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG, d.h. ohne Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen gem. § 7...