Ein Gesetz entfaltet eine echte Rückwirkung in Form einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Eine solche echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig. Dagegen liegt eine sog. unechte Rückwirkung vor, auch tatbestandliche Rückanknüpfung genannt, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach dessen Verkündung eintreten, dessen Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor Verkündung ihren Anfang genommen haben (vgl. hierzu BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628; Seiler in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl. 2022, § 52 Rz. 12 ff.; Tormöhlen in Korn, EStG, § 52 Rz. 3 m.w.N. [Juni 2020]).

Art. 316j Nr. 1 EGStGB beinhaltet eine echte Rückwirkung. Der Gesetzgeber begründete die Einführung des § 73e Abs. 1 S. 2 StGB damit, dass er eine gleichheitswidrige Abschöpfungslücke schließen wolle. Die mit Art. 316j Nr. 1 EGStGB zugleich angeordnete Rückwirkung begründete er damit, dass die Erwartung, deliktisch erlangte Vermögenswerte infolge Zeitablaufs nicht behalten zu dürfen, nicht schutzwürdig sei. Er griff damit ersichtlich in abgeschlossene Vorgänge nachträglich ändernd ein.

Diese echte Rückwirkung ist ausnahmsweise zulässig, weil sie durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Denn das Interesse der Allgemeinheit, durch Steuerhinterziehungen in großem Ausmaß eingetretene, in die Gegenwart fortwirkende Störungen der Vermögensordnung zu beseitigen und so der Rechtsgemeinschaft zu verdeutlichen, dass sich Straftaten nicht lohnen, geht dem Interesse der Betroffenen, durch Steuerdelikte erlangte Vermögenswerte nach Eintritt der steuerrechtlichen Verjährung behalten zu dürfen, vor.

BVerfG v. 7.4.2022 – 2 BvR 2194/21

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge