a) Keine Scheinrechnung bei Innenumsätzen eines Unternehmers
Wenn ein Unternehmer mehrere Einzelfirmen betreibt und Rechnungen mit offenem USt-Ausweis an eine andere Firma seines eigenen Unternehmensverbundes stellt, denen kein realer Geschäftsvorfall zugrunde liegt, entsteht insoweit keine Umsatzsteuerschuld. Denn nach § 14c Abs. 2 S. 2 Alt. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG entsteht die Steuerschuld bei Ausweis von Umsatzsteuer in nicht leistungsunterlegten Rechnungen nicht bereits mit der Erstellung, sondern erst mit der Ausgabe der Rechnung an den Rechnungsempfänger (vgl. Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 13 Rz. 54 [August 2020]). Die Hergabe einer Rechnung verlangt jedoch einen Austausch zwischen mehreren Personen, so dass der Leistungsempfänger nicht mit dem Leistenden identisch sein darf (vgl. Neeser in Wäger, UStG, 2. Aufl. 2012, § 14c Rz. 10) und somit Innenumsätze eines Unternehmers nicht steuerbar sind (vgl. BFH v. 16.12.2020 – XI R 13/19, UStB 2021, 177 = HFR 2021, 611; ferner Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 14c Rz. 22 [August 2020]).
BGH v. 7.2.2023 – 1 StR 430/22
b) Einbindung in einer Mehrwertsteuerbetrugskette
Ein inländischer Kfz-Händler, der Proforma-Rechnungen über vermeintlich steuerfreie, tatsächlich aber nicht stattgefundene innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen an in Polen oder Tschechien ansässige Abnehmer gestellt und nach den Weisungen seiner Hintermänner lediglich die Kaufverträge unterschrieben, die Kaufpreise weitergeleitet und die Gelangensbestätigung sowie den schriftlichen Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung entgegengenommen und in seiner Belegbuchhaltung abgelegt hat, ohne je über die Fahrzeuge tatsächlich verfügt zu haben, begeht keine USt-Hinterziehung dadurch, dass er keine USt-Erklärung abgegeben hat. Denn die vorgetäuschten Fahrzeugankäufe sowie die angeblichen Weiterlieferungen nach Polen oder Tschechien begründeten weder ein Vorsteuerabzugsrecht noch eine Steuerschuld. Das Recht zum Vorsteuerabzug und eine Steuerschuld für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG) entstehen nur, wenn ein Unternehmer Lieferungen für sein Unternehmen bezieht (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG) bzw. im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 5 UStG). Dies ist nicht der Fall, wenn er zwar Rechnungen über Lieferungen erhält und erteilt, aber keine Lieferungen bezieht oder ausführt, weil er die Verfügungsmacht über Waren weder erlangt noch anderen verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG; vgl. hierzu allgemein Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz. 116 ff. [Februar 2021]).
BGH v. 19.4.2023 – 1 StR 14/23
c) Zimmervermietung an Prostituierte
Die Vermietung eines Zimmers ist nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG zwar grds. umsatzsteuerfrei. Etwas anderes gilt bei Überlassung möblierter Zimmer an Prostituierte, wenn zusätzliche Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge geben, insb., wenn nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit, Prostitution auszuüben im Vordergrund steht (vgl. bereits BGH v. 29.7.2021 – 1 StR 30/21, NStZ 2022, 49; anders BFH v. 24.9.2015 – V R 30/14, DStR 2015, 2547 = BStBl. II 2017, 132: Überlassen von Zimmern in einem Stundenhotel steuerfrei).
Vorsteuern aus etwaigen Gemeinkosten (z.B. Werbekosten) sind zwar im Hinblick auf das Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO nicht zu berücksichtigen (vgl. Madauß, NZWiSt 2019, 294). Denn die betreffenden Steuervorteile beziehen sich nicht auf dasselbe WG wie die ausgeführten Ausgangsumsätze und stehen mit diesen daher nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang (vgl. BGH v. 13.9.2018 – 1 StR 642/17, BGHSt 63, 203 = HFR 2019, 323; v. 16.1.2020 – 1 StR 113/19, wistra 2020, 514; Grötsch in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 370 AO Rz. 118). Die Vorsteuern führen allerdings zu einer Minderung der verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) und sind deshalb im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (st. Rspr.; u.a. BGH v. 2.1.1995 – 5 StR 414/95, wistra 1996, 106; v. 5.2.2004 – 5 StR 420/03, wistra 2004, 147; BGH v. 21.2.2024 – 1 StR 394/23, juris; Welnhofer-Zeitler in Wannemacher & Partner, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. 2013, Rz. 1464; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichw. "Strafzumessung bei Steuerhinterziehung" Rz. 18 [Januar 2021]).
BGH v. 22.3.2023 – 1 StR 361/22