1. Beschlagnahme (§ 94 StPO i.V.m. § 385 Abs. 1 AO)
Wenn bei einer Durchsuchung aufgefundene Gegenstände nach § 98 Abs. 1 S. 1 StPO beschlagnahmt worden sind, hat die Durchsuchung durch den Antrag der Staatsanwaltschaft auf richterliche Beschlagnahme ihren Abschluss gefunden. Die im Sachentzug bestehende Eingriffswirkung beruht von diesem Zeitpunkt an nicht mehr auf der Durchsuchung, sondern auf dem neuen Rechtsgrund der Beschlagnahmeanordnung, die ihrerseits angegriffen werden kann. Deshalb ist der Beschlagnahme eine die Durchsuchung rechtlich beendigende Wirkung beizumessen. Den Betroffenen stehen nur noch Rechtsbehelfe gegen die Beschlagnahmeanordnung zu. Hierdurch wird eine sachgerechte Abgrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten bei Durchsuchung und anschließender Beschlagnahme ermöglicht (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth v. 7.11.2022 – 12 Qs 49/22, juris; zu den komplizierten Varianten des gerichtlichen Rechtsschutzes ferner Matthes in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 404 AO Rz. 193 ff. [August 2016]; Tormöhlen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 404 AO Rz. 95 f. [Juli 2022]).
BGH v. 18.5.2022 – StB 17/22
2. Durchsuchung bei nicht verdächtigen Betroffenen (§ 103 StPO i.V.m. 385 Abs. 1 AO)
Ein Durchsuchungsbeschluss für eine Durchsuchung bei einem Dritten, gegen welchen kein Tatverdacht besteht, setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete Gründe dafür sprechen, dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann. Dies unterscheidet die Durchsuchung beim Unverdächtigen nach § 103 StPO von einer Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 StPO, bei der es bereits nach der Lebenserfahrung in gewissem Grade wahrscheinlich ist, dass Beweisgegenstände zu finden sein werden, die zur Prüfung des Tatverdachts werden beitragen können, und bei der durch die Verknüpfung des personenbezogenen Tatverdachts mit einem eher abstrakten Auffindeverdacht ein hinreichender Eingriffsanlass besteht (vgl. auch BGH v. 18.11.2021 – StB 6/21, StB 7/21, AO-StB 2022, 290; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 399 AO Rz. 30; Gercke in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl. 2019, § 103 StPO Rz. 1; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichw. "Durchsuchung" Rz. 11 [Juni 2017].).
BGH v. 20.7.2022 – StB 29/22
3. Anfangsverdacht einer Steuerstraftat (§ 152 Abs. 2 StPO i.V.m. § 385 Abs. 1 AO)
Die Anordnung einer Außenprüfung (bei einem Freiberufler) ist nach § 193 Abs. 1 AO auch dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Prüfung ausschließlich angeordnet wird, um festzustellen, ob im Prüfungszeitraum Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Denn es entspricht der st. Rspr. des BFH, dass eine Prüfungsanordnung nach den Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots nicht ermessensfehlerhaft ist, wenn hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht. Somit kann eine Außenprüfung selbst dann angeordnet und durchgeführt werden, wenn bei Erlass der Prüfungsanordnung gegenüber einer GbR bereits gegen einen der Gesellschafter strafrechtliche Ermittlungen laufen (vgl. zu diesem Problemkreis BVerfG v. 9.8.2012 – 1 BvR 1902/11, StEd 2012, 578; BFH v. 14.4.2020 – VI R 32/17, BStBl. II 2020, 487 = AO-StB 2020, 274; Roth in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 404 AO Rz. 127 [Dezember 2021]; Rüsken in Klein, 16. Aufl. 2022, § 193 Rz. 23; Gosch in Gosch, AO/FGO, § 193 AO Rz. 7.4 [Mai 2022]; Horn in Schwarz/Pahlke, AO, § 193 Rz. 6 [September 2022]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichw. "Steuerfahndung" Rz. 33 [März 2022]; Tormöhlen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 404 AO Rz. 99e ff. [Juli 2022].
BFH v. 24.5.2022 – VIII B 53/21
4. Mitteilung über Verständigungsgespräche (§ 243 Abs. 4 StPO)
a) Wenn die Vorsitzende einer Strafkammer in einem Telefonat vor der Hauptverhandlung einen Oberstaatsanwalt fragt, ob dieser für einen gemeinsamen Besprechungstermin mit der Strafkammer und dem Verteidiger zur Verfügung stehe, dieser es bejaht und erklärt, dass er mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO, wie vom Verteidiger vorgeschlagen, nicht einverstanden sei, ist dies kein mitteilungspflichtiges Gespräch nach § 243 Abs. 4 StPO (vgl. aber BGH v. 31.8.2021 – 2 StR 339/20, AO-StB 2022, 291; i.Ü. zum Ganzen: Franke in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 4. Aufl. 2020, § 243 Rz. 33 f.; Schneider in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, Rz. 39 ff.).
BGH v. 3.3.2022 – 5 StR 228/21
b) Die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 S. 1 StPO verfolgt zum einen den Zweck, den Angeklagten, der an den Verständigungsgesprächen nicht teilgenommen hat, durch eine umfassende Unterrichtung über die wesentlichen Gesprächsinhalte seitens des Gerichts in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte autonome Entscheidung über sein Verteidigungsverhalten zu treffen. Zum anderen sollen die Transparenz- und Dokumentationspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO zum Schutz des Angeklagten eine effektive Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgerich...