1. §§ 69 Abs. 1 S. 1, 191 Abs. 1 S. 1 AO – Keine Berücksichtigung einer Rückzahlung von Corona-Soforthilfe bei der Berechnung der Haftungsquote
Das FG sah es als ernstlich zweifelhaft an, dass ein von der Antragstellerinn. zurückgeforderter und im Haftungszeitraum doch wieder an sie zurückgezahlter Betrag einer Corona-Soforthilfe im Fall der Verletzung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung in die Berechnung der Haftungsquote einzubeziehen ist.
Zur Begründung hat das Gericht darauf abgestellt, dass die Corona-Soforthilfe zweckgebunden und damit nicht pfändbar sei (vgl. BFH, v. 9.7.2020 – VII S 23/20, BFH/NV 2020, 1104). Daraus folge, dass der Betrag auch nicht für alte Steuerschulden hätte verwendet werden dürfen. Ferner betrafen im entschiedenen Fall die Corona Hilfen einen Förderzeitraum außerhalb des maßgeblichen Haftungszeitraums.
FG Münster v. 15.10.2021 – 9 V 2341/21 K
2. §§ 119 Abs. 1, 155, 191 AO – Bestimmtheit bei einem kombinierten Haftungs- und Pauschalierungsbescheid
Da die Klägerin Lohnsteuer nicht zutreffend einbehalten und abgeführt hatte, erließ das beklagte FA eine als Haftungsbescheid bezeichnete Verfügung, mit der es die Klägerin als Haftungsschuldnerin in Anspruch nahm und unter "I. Festsetzung", die geschuldeten Beträge aufgeschlüsselt mitteilte. In diesen waren auch Pauschalsteuern enthalten.
Das Gericht kam bei diesem Sachverhalt zunächst im Wege der Auslegung dazu, dass es sich bei der streitgegenständlichen Verfügung um einen äußerlich verbundenen kombinierten Haftungs- und Pauschalierungsbescheid handele. Auch wenn die Verfügung als Haftungsbescheid überschrieben sei, folge aus der Aufnahme von Pauschalsteuer in die mitgeteilten Beträge und dem Verweis auf die Pauschalierungsvorschriften in §§ 37a, 37b, 40, 40a, 40b EStG, dass auch ein Pauschalierungsbescheid ergangen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das FA in der Verfügung Bezug auf Schreiben der KG genommen habe, in denen nicht nur die jeweils angefallene Lohnsteuer samt Solidaritätszuschlag, sondern auch die einzelnen Pauschalierungsbeträge mit Bemessungsgrundlage, Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer getrennt nach Jahren sowie getrennt nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 1a EStG ausgewiesen waren.
Den in der Verfügung enthaltenen Haftungsbescheid sah das Gericht vor diesem Hintergrund als rechtmäßig – insb. als hinreichend bestimmt- an. Den Pauschalierungsbescheid hat das Gericht jedoch aufgehoben. Für die Festsetzung der Pauschalsteuer fehle es an einer entsprechenden Lohnsteuer-Anmeldung der KG, da eine solche nicht nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz erfolgt sei. Bei der Berechnung der gem. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG und § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG geschuldeten Pauschalbeträge durch die Klägerin in dem von den FA in Bezug genommenen Schreiben handele es sich um eine bloße Absichtserklärung, die das Pauschalierungsverfahren weder in Gang zu setzen noch die erforderliche Erhebung der pauschalen Lohnsteuer mittels Lohnsteuer-Anmeldung zu ersetzen vermochte (s. dazu. BFH v. 24.9.2015 – VI R 69/14, BStBl. II 2016, 17).
BFH v. 1.9.2021 – VI R 38/19
3. §§ 124 Abs. 1 S. 1, 122 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 2 – Bekanntgabe eines Steuerbescheids
Im Fall war der Antragsteller Adressat von zwei Steuerbescheiden, die die Jahre 2018 und 2019 betrafen. Die Bescheide wurden mit Datum vom 7.5.2021 zentral vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung versandt und bestanden jeweils aus drei Blättern. Zusätzlich erging für jedes Jahr auf jeweils einem Blatt Papier ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2018 bzw. 2019.
Nachdem der Antragsteller behauptete, nur die Bescheide für das Jahr 2018 und nicht die für das Jahr 2019 erhalten zu haben, führte das FA interne Ermittlungen durch. Diese ergaben, dass die beiden Einkommensteuerbescheide vom 7.5.2021 für 2018 und 2019 Inhalt einer Druckdatei mit der Kennung ....afp gewesen waren und die Sendungsnummer 1 trugen. Nach Auskunft der Deutschen Post AG war die Sendung am 7.5.2021 mit der Auftragsnummer 2 vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung NRW (Absender, Hersteller, Einlieferer) eingeliefert und am selben Tag bearbeitet worden. Sie habe aus 8 Blättern bestanden, ein Gewicht von 44 Gramm gehabt und am 7.5.2021 um 11:00 Uhr eingeliefert worden.
Bei diesem Sachverhalt hatte das Gericht keine Zweifel, dass der Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 7.5.2021 dem Antragsgegner im Mai 2021 zugegangen und damit wirksam war. Für die Frage des Zugangs komme es auch nicht darauf an, ob der Antragsteller den Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 7.5.2021 anlässlich des Zugangs des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2018 zur "Kenntnis" genommen habe.
Ergänzend hat der Senat bestätigt, dass eine die Übergabe einer Bescheidkopie ausdrücklich "zum Zwecke der Unterrichtung über den Akteninhalt" und dem Hinweis, dass "die Übergabe lediglich zu Informationszwecken und ohne Bekanntgabewillen" geschehe, keine erneute Bekanntgabe mit der Eröffnung einer (weiteren) Anfechtungsmöglichkeit darstelle.
FG Köln v. 8.11.2021 – 11 V 1709/21
4. § 193 Abs. 1 AO – Zulässigkeit einer dritten Betriebsprüfung
Der BFH hat bestätigt, dass nach § 193 Abs. 1 AO Außenprüfungen u.a. bei Steuerpflichtigen, die – wie im Streitfall der Kläger- freiberuflich tätig sind, zulässig seien. Es sei auch geklärt, dass die Vorschrift keine weiteren Anforderungen entha...