1. § 57 FGO – Beteiligtenfähigkeit einer britischen Ltd.
Im entschiedenen Fall hat der BFH seine Rspr. bestätigt, dass eine britische Ltd. mit Sitz in Deutschland Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens i.S.d. § 57 FGO sein könne. Zwar habe sich durch den Austritt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland (UK) aus der Europäischen Union ("Brexit") zwar der zivilrechtliche Status der Ltd. geändert. Denn als Gesellschaft eines Drittstaats mit inländischem Verwaltungssitz könne sich die Limited fortan nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit berufen und die Frage ihrer Rechtsfähigkeit bestimme sich daher nach der sog. Sitztheorie. Dies führe zum Verlust der hiesigen (zivilrechtlichen) Rechtsfähigkeit. Dies führt aber nicht dazu, dass die Ltd. kein Körperschaftsteuersubjekt i.S.d. §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 KStG mehr ist (vgl. auch §§ 8 Abs. 1 S. 4, § 34 Abs. 3c KStG i.d.F. des StAbwG) vom 25.6.2021 (BStBl. I 2021, 895). Denn für die körperschaftsteuerrechtliche Behandlung einer ausländischen Gesellschaft kommt es nach St. Rspr. des BFH nicht auf die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit, sondern auf den sog. Typenvergleich an (BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; v. 24.10.2018 – I R 69/16, BStBl. II 2019, 401, zur britischen Limited).
Aus der daraus resultierenden Behandlung der Ltd. als Körperschaftsteuersubjekt (vgl. BFH in BStBl. II 2019, 401 m.w.N.) folgt verfahrensrechtlich deren Fähigkeit, Beteiligte in einem finanzgerichtlichen Verfahren zu sein (vgl. FG Münster v. 11.5.2011 – 9 V 3872/10 K, EFG 2011, 1443). Denn die Beteiligtenfähigkeit richtet sich nicht nach der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit, sondern nach der Steuerrechtsfähigkeit (Gräber/Levedag, FGO, 9. Aufl., § 57 Rz. 11 m.w.N.). Diese bleibt aber – selbst bei zivilrechtlicher Vollbeendigung einer Gesellschaft- bis zur Abwicklung der steuerrechtlichen Rechtsbeziehungen erhalten (vgl. BFH v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670).
BFH v. 13.10.2021 – I B 31/21
2. §§ 81, 82 FGO – Beweisantrag zu einer Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
In dem dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zugrunde liegenden Fall hatte das FG der Klägerin gem. § 65 Abs. 2 S. 2 FGO eine Ausschlussfrist gesetzt. Nach Fristablauf entschied das FG durch Prozessurteil. Vor dem BFH behauptete die Klägerin, dass ihr der Berichterstatter telefonisch eine Fristverlängerung auf "unbestimmte Zeit" gewährt habe und beantragte dessen Vernehmung als Zeugen.
Der BFH sah den Sachvortrag als unschlüssig an. Die Klägerin habe nicht dargelegt, zu welchem Zeitpunkt das behauptete Telefonat mit dem Berichterstatter stattgefunden habe und wann die zur Glaubhaftmachung dienenden Unterlagen dem FG vorgelegt worden seien. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, denn eine wirksame Fristverlängerung komme nur in Betracht, wenn der Verlängerungsantrag vor Fristablauf gestellt werde und die die Glaubhaftmachung dem Gericht vor Ablauf der Ausschlussfrist vorliege.
Außerdem berufe sich die Klägerin auf einen atypischen Geschehenslauf, dessen schlüssige Darlegung eine weitergehende Substantiierung des Vortrags erfordert hätte. So sei die telefonische Gewährung einer Fristverlängerung "auf unbestimmte Zeit" atypisch. Warum es gleichwohl dazu gekommen sei, habe die Klägerin nicht dargelegt. Gleiches gelte für die Frage, warum die Klägerin – trotz der ihr bekannten verfahrensrechtlichen Bedeutung der Fristverlängerung – auf eine entsprechende schriftliche Bestätigung verzichtet bzw. eine solche nicht angefordert habe. Ferner habe sie nicht erläutert, warum sie erstmals im Beschwerdeverfahren behauptet habe, ihr sei eine Fristverlängerung telefonisch gewährt worden, während sie diesen Umstand im Rahmen ihres gegen den zuvor bereits ergangenen Gerichtsbescheid gerichteten Antrags auf mündliche Verhandlung nicht erwähnt habe.
Da der zu beweisende Sachverhalt unschlüssig dargelegt worden sei, handele es sich bei dem Antrag auf Vernehmung des Berichterstatters als Zeugen um einen unzulässigen Beweisermittlungs- oder -ausforschungsantrag, dem das Gericht nicht nachkommen müsse.
BFH v. 15.11.2021 – VIII B 2/21
3. § 116 Abs. 3 FGO – Zulassungsbeschwerde bei auslaufendem Recht
Begründet der Beschwerdeführer seine Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, hat er nicht nur die abstrakte Rechtsfrage darzulegen, sondern auch unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen herauszuarbeiten, weshalb diese im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall auch zu lösen ist. Im Falle ausgelaufenen Rechts ist außerdem darzulegen, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen sich noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis auch in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen können, wie dies bei Fragen aus fortgeltendem Recht regelmäßig der Fall ist.
BFH v. 29.3.2018 – I B 79/17
4. § 115 Abs. 2 FGO – Revisionsgründe bei kumulativer Begründung des erstinstanzlichen Urteils
Ist ein erstinstanzliches Urteil des FG kumulativ auf mehrere mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss zu jedem Grund ein Zulassungsgrund i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen (z.B. BFH v. 22.12.2008 – IX B 143/08, BFH/NV 2009, 547 m.w.N.). Der Zulassungsgrund der Diverge...