Der Kläger führte ein finanzgerichtliches Verfahren, in dem ein nach einer Umsatzsteuersonderprüfung ergangener Änderungsbescheid streitig war. Das FG lud durch Beweisbeschluss einen Zeugen zur mündlichen Verhandlung. Trotz ordnungsgemäßer Ladung erschien der Zeuge jedoch nicht. Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise den Zeugen erneut zur Verhandlung zu laden und zu dem im Beweisbeschluss benannten Beweisthema zu vernehmen. Das FG wies die Klage allerdings ohne vorherigen gerichtlichen Hinweis ab. Hiergegen wendete sich der Kläger mit einer NZB, die Erfolg hatte. Der BFH entschied, dass dem FG ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) unterlaufen war, weil es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Nach ständiger Rspr. des BFH entsteht durch den Erlass eines (förmlichen) Beweisbeschlusses eine Verfahrenslage, auf die sich die Beteiligten einrichten dürfen. Sie können grundsätzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht ergehen wird, bevor der Beweisbeschluss vollständig ausgeführt ist. Das Gericht ist zwar nicht verpflichtet, eine angeordnete Beweisaufnahme in vollem Umfang durchzuführen. Will es aber von einer (weiteren) Beweisaufnahme absehen, muss es vor Erlass des Urteils die von ihm durch den Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage wieder beseitigen. Hierfür ist erforderlich, dass das Gericht gegenüber den Beteiligten unmissverständlich zum Ausdruck bringt, es betrachte den Beweisbeschluss als erledigt (BFH v. 11.10.2016 – III B 21/16, AO-StB 2017, 102 = BFH/NV 2017, 315; BFH v. 29.10.2015 – X B 55/15, BFH/NV 2016, 218). Dies gilt auch, wenn kein Beweisbeschluss erlassen wurde, sondern das Gericht einen Zeugen gem. § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 FGO zur mündlichen Verhandlung geladen hat. Das unentschuldigte Nichterscheinen eines geladenen Zeugen bewirkt für sich genommen keine Erledigung der Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen (BFH v. 17.10.2023 – II B 31/32, BFH/NV 2014, 68). Will das Gericht von der Vernehmung des Zeugen absehen, muss es die Beteiligten vor Erlass des Urteils hierauf unmissverständlich hinweisen, es sei denn das Gericht kann aufgrund besonderer objektiver Umstände ausnahmsweise davon ausgehen, dass sich die Beweisaufnahme auch aus Sicht der Beteiligten erledigt hat, ohne dass es eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises bedürfte. Unterbleibt aber ein hiernach gebotener Hinweis des Gerichts, verletzt es – wie im Streitfall – den Anspruch auf rechtliches Gehör gem. § 96 Abs. 2 FGO und Art. 103 Abs. 1 GG (BFH v. 11.10.2016 – III B 21/16, AO-StB 2017, 102 = BFH/NV 2017, 315). Der gerichtliche Hinweis kann schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung auch mündlich erteilt werden. Im letzteren Fall ist er als wesentlicher Vorgang der Verhandlung in das Protokoll aufzunehmen (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO). Fehlt ein Hinweis im Original des Sitzungsprotokolls ist der negative Beweis erbracht (§ 94 FGO i.V.m. § 165 ZPO), dass ein Hinweis nicht erteilt wurde. Im Streitfall hat der Kläger auch nicht (entsprechend § 295 ZPO) rügelos auf die Vernehmung des Zeugen verzichtet. Zum einen brauchte er ohne einen ausdrücklichen gerichtlichen Hinweis nicht mit einem Wechsel der Auffassung des Gerichts rechnen (vgl. hierzu BFH v. 19.9.2014 – IX B 101/13, BFH/NV 2015, 214). Zum anderen hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hilfsweise die Vernehmung des Zeugen beantragt.

BFH v. 4.4.2024 – V B 12/23

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