1. § 8 AO – Keine Aufgabe des Wohnsitzes durch eine zwölfmonatige Rundreise
Ein Wohnsitz beurteilt sich nach § 8 AO danach, ob jemand im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. War dies der Fall, wird dieser Wohnsitz durch eine Familie nicht aufgegeben, wenn der Kläger die Wohnung weiter bewohnt und dessen Ehefrau sich mit den gemeinsamen (im Reisezeitraum nicht schulpflichtigen) Kindern auf eine zwölfmonatige Rundreise durch Europa begibt. In einem solchen Fall ist nach Ansicht des FG davon auszugehen, dass, da der Kläger in Deutschland in der Familienwohnung verblieben war, die Wohnung auch der Ehefrau und den beiden Söhnen jederzeit zur Verfügung gestanden hätte und sie tatsächlich über sie verfügen konnten. Auch die Haushaltszughörigkeit sah das FG im Reisezeitraum noch als gegeben an.
Schleswig-Holsteinisches FG v. 25.10.2023 – 5 K 7/23
2. § 41 AO – Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften – Mitunternehmerstellung einer GbR
Nach der Entscheidung kann auch mit einem i.S.d. § 41AO unwirksamen Rechtsgeschäft eine Mitunternehmerstellung entstehen. Im Fall waren drei Personen, die zusammen die klagende GbR bildeten, als Kommanditisten einer KG eingetragen worden. Der Gesellschaftsvertrag sah insoweit vor, dass den Gesellschaftern der Klägerin "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung W-GbR" ein Kommanditanteil i.H.v. X DM (12 %) zusteht. Der die Gründung der KG begleitende Notar hatte darauf hingewiesen, dass die Kommanditanteile anteilig von den Gesellschaftern der GbR übernommen werden müssten, da eine GbR nicht Kommanditistin sein könne. Dies unterblieb jedoch in den Streitjahren 2003 bis 2007. Im Rahmen einer Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Klägerin gewerbliche Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der KG erzielte, was in rückwirkender Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 32a EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2878) zur Abfärbung der gewerblichen Tätigkeit auf die an sich nicht gewerbliche Tätigkeit der GbR führte. Der BFH hat die nach Ansicht des FG so entstandene Mitunternehmerstellung der klagenden GbR bestätigt. Er hat insoweit insb. auf die Formulierung im Gesellschaftsvertrag, als auch den Umstand abgestellt, dass die KG seit dem Jahr 1995 in ihren Feststellungserklärungen stets die Klägerin als Feststellungsbeteiligte genannt und dieser Einkünfte zugerechnet hat.
Als unerheblich hat der BFH es angesehen, dass die Klägerin als GbR nach der bis 2001 geltenden Rspr. zivilrechtlich nicht Kommanditistin einer KG sei (vgl. zur Rspr.-Änderung u.a.: BGH v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291, m.w.N.) und auch nicht als solche in das Handelsregister eingetragen werden konnte. Er hat hier einen Anwendungsfall des § 41 Abs. 1 S. 1 AO angenommen. Danach bleibt ein unwirksames Rechtsgeschäft jedenfalls für die Besteuerung erheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Die Vorschrift erfasse alle Fälle der Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften und damit auch solche, in denen sich die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts aus dem Mangel an Rechtsfähigkeit eines Beteiligten ergebe. Auch komme es für die Begründung der Mitunternehmerstellung auf die Wirksamkeit des Erwerbs der Beteiligung oder des Gesellschaftsvertrages nicht an, sondern darauf, dass die Beteiligten – wie im Streitfall gegeben – den insoweit bestehenden, ihnen bekannten zivilrechtlichen Mangel unbeachtet gelassen und die Klägerin stets – wie die Feststellungserklärungen beider Gesellschaften belegten-als Mitunternehmerin der A-KG behandelt hätten.
Des Weiteren hat der BFH in der Entscheidung dargelegt, dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451 im Streitfall Anwendung findet, weil das Gericht während des gerichtlichen Verfahrens eingetretene rückwirkende Gesetzesänderungen zu beachten hat, soweit diese verfassungsrechtlich zulässig sind (vgl. BFH v. 30.6.2022 – IV R 42/19, BFHE 278, 42 = BStBl. II 2023, 118 Rz. 28, m.w.N.), was er für diese Vorschrift bejaht.
BFH v. 5.9.2023 – IV R 24/20
3. § 122 Abs. 5 AO – Unwirksame Bekanntgabe eines Steuerbescheides – Heilung
Nach der Entscheidung des FG darf das FA nicht davon ausgehen, dass ein Steuerpflichtiger unbekannten Aufenthaltes i.S.d. § 10 VwZG ist und eine öffentliche Zustellung veranlassen, wenn die ausländische Anschrift des Steuerpflichtigen bereits mit diversen Schreiben des Bevollmächtigten mitgeteilt worden ist.
Ferner hat der Senat entschieden, dass eine öffentliche Zustellung unwirksam ist, wenn der über sie nach § 10 Abs. 2 S. 5 VwZG zu fertigende Vermerk nicht mit dem vollen Namen der hierfür zuständigen Bediensteten des Beklagten versehen ist, sondern nur mit einer Paraphe (vgl. BFH v. 30.8.2012 – III R 46/10)
Die sich daraus ergebende Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung sah das Gericht im Verfahren jedoch nach § 8 VwZG als geheilt an, weil der Adressat von dem Dokument nachweislich Kenntnis erhalten hatte. Die Übersendung des Originals sei dafür...