Geklärte und (weiterhin) ungeklärte Fragen der Organschaftsbesteuerung
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Jens Herkens
Die ertragsteuerliche Organschaftsbesteuerung nach §§ 14 ff. KStG und § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG hat für verbundene Unternehmen eine große Bedeutung. Der wichtigste Effekt der Organschaft besteht in der Verrechnung von Gewinnen mit Verlusten zwischen verschiedenen Gesellschaften des Organkreises. Die Rechtslage in diesem Gebiet entwickelt sich laufend weiter (zu den erbschaft- und schenkungsteuerlichen Folgen: s. Sobisch, GmbH-StB 2023, 251 [in dieser Ausgabe]. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über einige (vor kurzem) geklärte und einige (weiterhin) ungeklärte Fragen der Organschaftsbesteuerung geben.
1. Voraussetzungen und Folgen der Organschaft
Die wesentlichen Voraussetzungen für eine körperschaftsteuerrechtliche bzw. gewerbesteuerrechtliche Organschaft sind:
Die Folgen der Organschaft sind ...
- ... bei der KSt: Das (positive oder negative) Einkommen der Organgesellschaft wird dem Organträger zugerechnet (§ 14 Abs. 1 S. 1 KStG, Zurechnungskonzept). Die Organschaft hat (grundsätzlich) kein eigenes Einkommen.
- ... bei der GewSt: Die Organgesellschaft gilt als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG, Betriebsstättenkonzept).
Die Einkommenszurechnung führt vor allem zu einer steuerlichen Ergebnisverrechnung zwischen dem Einkommen der Organgesellschaft und des Organträgers.
2. Atypisch stille Beteiligung an Organgesellschaft
Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann eine Kapitalgesellschaft keine Organgesellschaft sein, wenn an ihrem Vermögen eine atypisch stille Beteiligung – und damit eine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG – besteht.
Der BFH hatte diese Frage zwar in seiner Entscheidung v. 15.7.2020 offengelassen. Jedoch sind dazu zwei neue Revisionsverfahren beim BFH anhängig:
- sowohl das FG Mecklenburg-Vorpommern im Urteil v. 5.7.2022
- als auch das FG Düsseldorf im Urteil v. 12.4.2021
als Vorinstanzen der Revisionsverfahren sind – wie die Finanzverwaltung – der Ansicht, dass eine atypisch stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft für deren Stellung als Organgesellschaft schädlich ist, da nicht der "ganze Gewinn" nach der Vorgabe des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an ein einziges anderes Unternehmen (den Organträger) abgeführt wird.
Beispiel
Investor X beteiligt sich an der T-GmbH mit einer Geldeinlage gegen eine Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung, die ertragsteuerlich als atypisch stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) mit der T-GmbH zu werten ist. Die T-GmbH hat mit ihrer Anteilseignerin M-GmbH seit Jahren einen anzuerkennenden (Ergebnisabführungsvertrag) EAV i.S.d. § 17 KStG abgeschlossen. Für das WJ 2022 erhält X (atypisch stiller Gesellschafter) einen Gewinnanteil i.H.v. 100.000 EUR. Der übrige Gewinn der T-GmbH i.H.v. 500.000 EUR wird in Erfüllung der Gewinnabführungsverpflichtung aus dem EAV an die Anteilseignerin (M-GmbH) abgeführt.
Lösung: Die Finanzverwaltung wird hier keine Organschaft i.S.d. §§ 14, 17 KStG anerkennen, da die atypisch stille Beteiligung an der T-GmbH (vermeintliche Organgesellschaft) nach ihrer Auffassung schädlich ist. Die T-GmbH hat ihr Einkommen daher selbst zu versteuern, da eine Einkommenszurechnun...