a) Zurechnung der Stimmen minderjähriger Kinder
Finanzverwaltung rechnet Stimmrechte minderjähriger Kinder zu: Die Finanzverwaltung rechnet bei der Prüfung der Voraussetzung der personellen Verflechtung den sorgeberechtigten Eltern die Stimmrechte minderjähriger Kinder zu (R 15.7 Abs. 8 EStR).
Kritik: Dies ist m.E. unzulässig. Auch wenn es naheliegt, dass die Eltern die Stimmrechte der minderjährigen Kinder genauso ausüben wie ihre eigenen Stimmrechte, rechtfertigt dies gleichwohl nicht die Zurechnung der Stimmrechte der minderjährigen Kinder zu den Stimmrechten der Eltern. Die Eltern sind bei Ausübung der Personen- und Vermögenssorge gehalten, im Eigeninteresse der Kinder zu handeln. Ebenso wenig wie die Stimmrechte von Ehegatten zusammengerechnet werden dürfen, dürfen die Stimmen von Eltern und minderjährigen Kindern zusammengerechnet werden.
Ergänzungspflegschaft: Im Besprechungsurteil stellt der X. Senat des BFH klar, dass eine Zurechnung jedenfalls dann zu unterbleiben hat, wenn für das Kind eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist. Beachten Sie: Ob eine Stimmenzurechnung ohne Ergänzungspflegschaft zulässig ist, lässt der Senat offen.
Beraterhinweis Insoweit ist in der Praxis nach wie vor Vorsicht geboten.
Beispiel 1
Die Mutter ist Alleineigentümerin des Betriebsgrundstücks, welches an die Betriebs-GmbH überlassen wird. An der Betriebs-GmbH sind beteiligt:
- die Mutter zu 40 %,
- das minderjährige Kind (für welches sie das alleinige Sorgerecht hat) mit 20 % und
- ein fremder Dritter mit 40 %.
Fraglich ist, ob die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung erfüllt sind.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung im Beispielsfall erfüllt, da die Stimmrechte des minderjährigen Kindes in der Betriebskapitalgesellschaft der Mutter zuzurechnen sind. Damit beherrscht sie sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft. Beachten Sie: Mit dem 18. Geburtstag des Kindes
- endet die Betriebsaufspaltung mit der Konsequenz
- der Aufdeckung der stillen Reserven im Betriebsgrundstück und in der GmbH-Beteiligung der Mutter.
Beraterhinweis Vor dem Hintergrund
- der Auffassung der Finanzverwaltung sowie
- der mangelnden Klarheit der Rechtsprechung in dieser Fallkonstellation
ist in der Praxis darauf zu achten, dass – bezogen auf den GmbH-Anteil des Kindes – von Beginn an eine Ergänzungspflegschaft angeordnet wird, damit die Stimmen des Kindes nicht der Mutter zugerechnet werden.
Andernfalls: Einbringung des Besitzunternehmen in GmbH & Co. KG: Ist das nicht erfolgt, sollte das Besitzunternehmen vor dem 18. Geburtstag des Kindes in eine GmbH & Co. KG eingebracht werden, damit nach Wegfall der personellen Verflechtung aufgrund der Volljährigkeit des Kindes Betriebsgrundstück und GmbH-Beteiligung der Mutter weiterhin steuerlich in einem Betriebsvermögen verstrickt sind.
b) Erfordernis der Stimmrechtsmehrheit
50 % plus eine Stimme: Im Besprechungsurteil stellt der X. Senat klar, dass die personelle Verflechtung die Stimmrechtsmehrheit
- im Besitzunternehmen und
- in der Betriebskapitalgesellschaft
erfordert.
Sowohl im Besitzunternehmen als auch in der Betriebskapitalgesellschaft muss der Gesellschafter bzw. die Gesellschaftergruppe, die die funktional wesentliche Betriebsgrundlage überlassen, 50 % plus eine Stimme haben. Beachten Sie: Dieses Erfordernis soll auch dann gelten, wenn der betroffene Gesellschafter
- das Besitzunternehmen beherrscht,
- 50 % der Stimmen in der Betriebskapitalgesellschaft innehat und
- GF ist.
Beispiel 2
A ist Alleineigentümerin des Betriebsgrundstücks. Dieses überlässt sie an die A-GmbH. An der A-GmbH ist sie mit 50 % beteiligt. Beteiligung und Stimmrechte stimmen überein. Sie ist alleinige GF’in.
X. Senat des BFH = personelle Verflechtung nicht gegeben: Für diese Konstellation hält der X. Senat des BFH im Besprechungsurteil eine personelle Verflechtung nicht für gegeben:
- die Pattsituation in der Betriebskapitalgesellschaft soll
- auch zusammen mit der GF-Stellung
nicht ausreichen, um von einer Beherrschung in der Betriebskapitalgesellschaft ausgehen zu können. Das spricht der X. Senat grundsätzlich aus.
Im Besprechungsurteil weicht der Sachverhalt insofern von dem Sachverhalt in Beispiel 2 ab, als die Klägerin nach Auffassung des X. Senats nicht wirksam zur GF’in bestellt worden war. Darauf soll es nach Auffassung des X. Senats aber nicht ankommen.
50 % plus eine Stimme = entscheidendes Kriterium für personelle Verflechtung: Obgleich A im Beispiel 2 auf der Ebene der Betriebskapitalgesellschaft ihren Willen im Hinblick auf die täglichen Geschäfte und auch im Hinblick auf die Gestaltung des Überlassungsverhältnisses als GF’in durchsetzen kann, wenn es keine entgegenstehenden Satzungsregelungen gibt, benötigt die GF’in nach Auffassung des X. Senats die Stimmrechtsmehrheit. Beachten Sie: Damit ist die Stimmrechtsmehrheit, verstanden als 50 % plus eine Stimme in der Gesellschafterversammlung, das entscheidende Kriterium für die personelle Verflechtung.
c) Geschäftsführungsbefugnis als Kriterium
Abgrenzu...