Eine Definition bzw. Aufzählung von Amtspflichten enthält § 839 Abs. 1 BGB nicht. Sie sind nicht konkretisiert, sondern werden vorausgesetzt. Amtspflichten wurden kontinuierlich durch Rechtsprechung und Rechtslehre aus Einzelfällen heraus entwickelt. Zwischenzeitlich wurden Fallgruppen gebildet, die überwiegend in Gesetzen Niederschlag gefunden haben.
3.2.1 Definition der Amtspflicht
Als Amtspflicht bezeichnet man jede persönliche Verhaltenspflicht des Amtsträgers in Bezug auf seine Amtsführung. Die spezifischen Amtspflichten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein behördliches Handeln voraussetzen, zu dem es keine zivilrechtliche Parallele gibt. Während sich spezielle Amtspflichten aus Einzelvorschriften ergeben können, sind allgemeine Amtspflichten solche Verhaltenspflichten, welche die Träger staatlicher Gewalt bei jedem Handeln und gegenüber jedermann treffen.
Amtspflichten ergeben sich also aus geltendem Recht, und zwar aus allen denkbaren Rechtsquellen. In Betracht kommen Verfassungen, Gesetze, Verordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht, Rechtsgrundsätze und Innenrecht (Verwaltungsvorschriften, innerdienstliche Weisungen, Erlasse, Rundverfügungen).
Gehorsamspflicht gegenüber Vorgesetzten
Die Verwaltung ist hierarchisch strukturiert. Daher hat der Beamte eine Gehorsamspflicht gegenüber den Anweisungen seiner Vorgesetzten. Daraus folgt, dass der Beamte seine Amtspflicht verletzt, wenn er eine Anweisung seiner Vorgesetzten nicht befolgt. Kollidiert die Pflicht des Amtswalters zu rechtmäßigem Handeln mit seiner Gehorsamspflicht/Weisungsgebundenheit, geht die Gehorsamspflicht grundsätzlich vor mit der Folge, dass es bei rechtswidrigem, aber weisungsgemäßem Verhalten des handelnden Amtswalters an der Amtspflichtverletzung fehlt. Die Amtspflichtverletzung ist dann in der rechtswidrigen Weisung zu sehen.
3.2.2 Übersicht über die wichtigsten Amtspflichten
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden in Rechtsprechung und Rechtslehre folgende Fallgruppen von Amtspflichten genannt:
Recht- bzw. gesetzmäßiges Verhalten
Als grundlegende Pflicht, aus der sich nahezu alle weiteren Amtspflichten ableiten lassen, besteht die Pflicht des Amtsträgers zu recht- bzw. gesetzmäßigem Verhalten, wie sie in Art. 20 Abs. 3 GG als Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verankert ist. Amtsträger haben die Amtspflicht, sich bei der Wahrnehmung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben stets im Rahmen der Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften zu bewegen. Sie dürfen ohne Rechtsgrundlage nicht in die Rechte des Bürgers eingreifen und insbesondere unbeteiligte Dritte durch die Amtsausübung nicht schädigen. Der Finanzverwaltung obliegt die Amtspflicht, bei Veranlagung, Erheben und Beitreiben von Steuern nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen tätig zu werden, gegenüber jedem, der von dem jeweiligen Vorgehen betroffen wird, insbesondere gegenüber dem Steuerschuldner. Aus der Amtspflicht zu recht- bzw. gesetzmäßigem Verhalten ergibt sich für jeden Amtsträger auch die Pflicht, begangene Fehler zu beheben. Als rechtswidrig erkannte Steuerbescheide sind zurückzunehmen, bevor der Steuerpflichtige Einspruch einlegt. Finanzkasse und Vollstreckungsstelle müssen intern unterrichtet werden, um unberechtigte Mahnungen und Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern. Unberechtigte Insolvenzanträge sind zu unterlassen. Ein Schadenersatzanspruch nach § 839 BGB, Art. 34 GG kann begründet sein, wenn die Finanzbehörde den Insolvenzantrag unter eklatantem Verstoß gegen eine Vollstreckungsanweisung der OFD gestellt hat. Zur Amtspflicht des recht- bzw. gesetzmäßigen Verhaltens gehört auch die Pflicht zur Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie von allgemeinen Dienst- und Verwaltungsvorschriften. Die Pflicht zum rechtmäßigen Verhalten besteht auch dem Bürger gegenüber, der hinsichtlich des konkreten Sachverhalts und seiner rechtlichen Würdigung im Verhältnis zum Amtswalter über dasselbe oder sogar "überlegenes" Wissen verfügt.
Erteilung richtiger und vollständiger Auskünfte
Die Auskunft, die der Amts...