Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt die Schadenersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, zur Abwendung des Schadens ein Rechtsmittel einzulegen (Vorrang des Primärrechtsschutzes). Die Regelung geht vom Prinzip "alles oder nichts" aus. Es gibt kein Wahlrecht – also kein dulde und liquidiere. Wer verschuldet ein Rechtsmittel nicht einlegt, kann i. d. R. keinen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Für die Anwendung der den Geschädigten im Zivilrecht grds. treffende Schadensminderungs- und Schadensabwendungspflicht (§ 254 BGB) bleibt – soweit § 839 Abs. 3 BGB einschlägig ist – kein Raum.
Nur derjenige, der sich im zumutbaren Rahmen für seine eigenen Belange einsetzt, soll seinen Schaden ersetzt bekommen. Die Frage, ob der Geschädigte fahrlässig den Gebrauch eines Rechtsmittels unterlassen hat, hängt davon ab, ob er die nach den gegebenen Umständen sowie die nach seinem Bildungsstand und seiner Geschäftsgewandtheit gebotene Sorgfalt nicht beachtet hat. Das Versäumnis, ein Rechtsmittel einzulegen, ist dann fahrlässig, wenn aus Sicht des Geschädigten Anlass dazu bestand, vom Vorliegen einer Amtspflichtverletzung auszugehen.
Der Geschädigte ist nicht gehalten, sich zur Schadensabwendung auf Rechtsstreitigkeiten einzulassen, deren Erfolgsaussichten höchst zweifelhaft sind. Es fehlt am Verschulden, wenn die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels so gering oder zweifelhaft sei, dass dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zuzumuten ist.
Die Vorschrift des § 839 Abs. 3 BGB diente ursprünglich ebenfalls dem Schutz des leistungsschwachen Beamten. Sie ist durch die Einführung der Staatshaftung gem. Art. 34 GG obsolet geworden. Die Rechtsprechung legt die Vorschrift aber objektivierend aus, um eine Wahlmöglichkeit des Geschädigten zwischen einem Rechtsmittel gegen die pflichtwidrige Amtshandlung und Schadenersatz bei Duldung zu vermeiden.
Dies zeigt sich in der weiten Auslegung des Begriffs Rechtsmittel. Rechtsmittel sind nicht nur die formellen Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung der Verwaltung wie z. B. der Einspruch gem. § 347 AO, sondern auch formlose Mahnungen, Erinnerungen, Gegenvorstellungen sowie Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerden, die geeignet sind, die Berichtigung des Verwaltungshandelns herbeizuführen und einen Schaden abzuwenden. Im Steuerrecht ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung denkbar.
Sachverhalt: Schadenersatzanspruch aufgrund eines Zinsschadens
Der Steuerpflichtige hat einen Schadenersatzanspruch aus einer Amtspflichtverletzung geltend gemacht, weil ein Steuerbescheid unrichtigerweise um ca. 13.500 EUR zu hoch war. Der Betrag wurde dem Steuerpflichtigen erst nach etwa zwei Jahren zurückerstattet, weshalb zusätzlich Zinsen angefallen sind.
Stellungnahme
Der Schadenersatzanspruch hinsichtlich des Zinsschadens ist ausgeschlossen, da der Steuerpflichtige es pflichtwidrig unterlassen hat, den Schaden durch eine Mahnung oder Erinnerung als Rechtsmittel i. S. d. § 839 Abs. 3 BGB abzuwenden. Der Steuerpflichtige hätte das FA spätestens nach drei bis vier Monaten erinnern oder mahnen müssen. Wäre dies geschehen, hätte sich das FA bemüht, den berichtigten Steuerbescheid im Rahmen der üblichen Bearbeitungszeit zu erlassen und der Zinsschaden wäre nicht entstanden.
Es liegt eine schuldhafte Nichteinlegung eines Rechtsmittels vor, wenn ein Steuerpflichtiger einen Steuerbescheid nicht auf seine Richtigkeit überprüft und daher einen enthaltenen Fehler nicht bemerkt. Bemerkt er den Fehler erst später, können die bis dahin angefallenen Kosten nicht ersetzt werden.
Nach Auffassung des BGH ist es Sinn und Zweck eines behördlichen Bescheids, dem Adressaten die Überprüfung der Richtigkeit zu ermöglichen. Die Obliegenheit des Steuerpflichtigen zur Einlegung eines Rechtsmittels gem. § 839 Abs. 3 BGB besteht nicht in allen Fällen. Der Ausschluss des Anspruchs kommt nur in Betracht, wenn der Verletzte es vorwerfbar im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst versäumt hat, den VA mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen anzufechten. Bei der Beurteilung dieses Verschuldens ist darauf abzustellen, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen der betroffenen Verkehrskreise erwartet werden kann. Das Verschulden kann darin liegen, dass der Betroffene das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung nicht erkannt hat, die Möglichkeiten eines Rechtsmittels nicht erkannt hat oder trotz Kenntnis von der Amtspflichtverletzung und der Möglichkeit eines Rechtsmittels dieses bewusst oder fahrlässig nicht eingelegt hat. Auf Belehrungen und Erklärungen eines Beamten ihm gegenüber darf der Bürger vertrauen, wenn keine gewichtigen Gründe gegen deren Richtigkeit sprechen. Bei fehlender Rechtskenntnis muss der Bürger allerdings ggf. rechtskundigen Rat einholen.
Kausalzusammenhang zwischen Nichteinlegung des Rechtsmittels und Schaden
Es wird verlangt, dass die Nichteinlegung des Rechtsmittels für den Schadenseintritt kausal sein muss. Der Kausalzusa...