Leitsatz
Ein Arbeitsplatz in einem Großraumbüro ist auch dann ein "anderer Arbeitsplatz" i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 Alternative 2 EStG, wenn er dem Steuerpflichtigen nicht individuell zugeordnet ist.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG , § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist beim TÜV angestellt und arbeitet für die Niederlassung B als amtlich anerkannter Sachverständiger für den Kfz-Verkehr mit Teilbefugnissen im Außendienst. Die Station B verfügt über ein Großraumbüro; die dortigen Arbeitsplätze sind den einzelnen Prüfern nicht individuell zugeordnet. Sein häusliches Arbeitszimmer nutzt der Kläger zur Vor- und Nachbereitung der anfallenden Prüfungen, Kfz-Abnahmen und Gutachten.
In der ESt-Erklärung für 1996 machte der Kläger Aufwendungen für sein Arbeitszimmer in Höhe von 2.400 DM als Werbungskosten geltend. Das FA lehnte dies ab. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Entscheidung Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Dem Kläger stehe in der Niederlassung B ein "anderer Arbeitsplatz zur Verfügung". Wenn sich der Kläger in der Station aufhalte, habe er einen Arbeitsplatz. Es sei unbeachtlich, dass die verschiedenen Arbeitsplätze des Großraumbüros den einzelnen Prüfern nicht individuell zugeordnet seien.
Hinweis
Mit diesem Urteil und den nachstehenden Entscheidungen vom selben Tag (VI R 162/00, BFH-PR 2003, 448, VI R 41/98, BFH-PR 2003, 449, VI R 118/00, BFH-PR 2003, 450, VI R 16/01, BFH-PR 2003, 451) hat sich der BFH einem weiteren Problemfeld der Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (häusliches Arbeitszimmer) zugewandt.
1. Nach der gesetzlichen Vorschrift kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer u.a. dann (allerdings begrenzt) absetzen, wenn ihm für die berufliche oder betriebliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (Nr. 6b Satz 2).
2. Beachten Sie bitte, dass der gesetzlichen Abzugsbeschränkung § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG der Gedanke zugrunde liegt, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (nur) dann steuerlich berücksichtigt werden sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Dabei unterscheidet die (komplizierte) gesetzliche Regelung zwischen mehreren Stufen der Erforderlichkeit. Erste Stufe: Abzugsverbot – mangels typisierter Erforderlichkeit (Nr. 6b Satz 1). Zur zweiten Stufe gehört (auch) die Frage nach dem "Zur-Verfügung-Stehen eines anderen Arbeitsplatzes" (Satz 2 i.V.m. Satz 3, 1. Halbsatz – Begrenzung der Kosten der Höhe nach). Unbeschränkter Abzug der Kosten wird nur zugelassen (3. Stufe der Erforderlichkeit), wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet (Satz 3, 2. Halbsatz).
3. In der Entscheidung ist der BFH ersichtlich bemüht, die beiden Tatbestandsmerkmale ("anderer Arbeitsplatz" und "zur Verfügung stehen") getrennt darzustellen. Dogmatisch ist dies sicherlich richtig. In der praktischen Rechtsanwendung wird indessen eine so strikte Trennung häufig nicht erforderlich sein.
4. Der BFH führt zunächst im Einzelnen aus, dass als "anderer Arbeitsplatz" grundsätzlich jeder Arbeitsplatz anzusehen ist, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes (als eines "zum Arbeiten bestimmten Platzes") sind nicht zu stellen. Insbesondere setzt die Abzugsbeschränkung nicht voraus, dass der Arbeitsplatz (anders als das Arbeitszimmer) einen eigenen, räumlich abgeschlossenen Arbeitsbereich hat.
Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass ein "anderer Arbeitsplatz" auch in einem Großraumbüro eingerichtet sein kann. Auch ein Raum, den sich ein Steuerpflichtiger mit weiteren Personen teilt, kann ein anderer Arbeitsplatz im Sinn der Abzugsbeschränkung sein.
Ebenso setzt die Regelung nicht voraus, dass dem Steuerpflichtigen ein angemessener oder ein ruhiger anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ob ein Steuerpflichtiger sich durch Publikumsverkehr gestört sieht, ist gleichfalls ohne Bedeutung. In diesen Punkten mag sich ein Steuerpflichtiger arbeitsrechtlich mit seinem Arbeitgeber auseinander setzen.
5. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass (so der Wortlaut) dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung stehen darf. Aus diesem "oder" ergibt sich eindeutig, dass bei einem Steuerpflichtigen, der mehrere Tätigkeiten ausübt, in Bezug auf jede dieser Tätigkeiten geprüft werden muss, ob ein anderer Arbeitsplatz – hierfür – zur Verfügung steht.
6. Übt ein Steuerpflichtiger nur eine Tätigkeit aus, muss geprüft werden, ob ein – an sich vorhandener – anderer Arbeitsplatz auch tatsächlich für alle Aufgabenbereiche (Teilbereiche) dieser Erwerbstätigkeit genutzt werden kann. Dies ergibt sich (zwingend) aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und aus dem ihr zugrunde liegenden, oben geschilderten Leitgedanken (Erforderlichkeit von Aufwendungen). Ein Steuerpflichtiger ist auch dann auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen, wenn er dort einen ...