Leitsatz
Bei der steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Vertragsabschlusses nur indizielle Bedeutung beizumessen (Anschluss an BFH-Urteil vom 13.7.1999, VIII R 29/97, BStBl II 2000, 386).
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1, § 12, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 1629 Abs. 1 Satz 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin errichtete drei Mehrfamilienhäuser. Zur Finanzierung der Herstellungskosten schloss sie mit ihren drei minderjährigen Enkelkindern jeweils Darlehensverträge ab, die durch den Vater als dem gesetzlichen Vertreter seiner Söhne ohne Beteiligung eines Ergänzungspflegers unterzeichnet und in derselben Form im Folgejahr geändert wurden. Danach gewährten die Enkel der Klägerin weitere Kredite in variabler Höhe. In der Folgezeit erfolgten verschiedentlich Aufstockungen der Darlehenssummen. Mit notarieller Urkunde vom November 1998 genehmigte der jetzt eingeschaltete Ergänzungspfleger die Darlehensverträge; danach wurden Grundschulden zur Sicherung der Darlehen bestellt. Die Zinsen hat die Klägerin an die Enkel gezahlt.
Aufgrund einer Außenprüfung versagte das FA die steuerliche Anerkennung der Darlehen und erhöhte für das Streitjahr 1992 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um die gezahlten Darlehenszinsen. Einspruch und Klage blieben – wegen der Formunwirksamkeit der Verträge – ohne Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Darlehensverträge bereits aufgrund ihrer Formunwirksamkeit steuerrechtlich nicht anzuerkennen seien. Denn die zivilrechtliche Unwirksamkeit sei nur ein Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung; insoweit müsse angesichts der tatsächlichen Durchführung der Verträge indiziell auch gewürdigt werden, dass die Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger hinwirkten.
Hinweis
1. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die steuerrechtliche Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen u.a. davon abhängig, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (vgl. BFH, Urteile vom 3.3.2004, X R 14/01, BFH-PR 2004, 263; vom 19.2.2002, IX R 32/98, BFH-PR 2002, 385; vom 13.7.1999, VIII R 29/97, BStBl II 2000, 386, jeweils m.w.N.). Zu nahen Angehörigen zählen auch Großeltern und Enkelkinder im Verhältnis zueinander.
Diese Anforderungen sind im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung geboten und zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.7.1991, 2 BvR 769/90, HFR 1992, 23).
2. Die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleichs bilden gleichwohl lediglich Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen oder in den nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 EStG) gehören. Insbesondere ist die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertragsabschlusses nicht derart zu einem eigenen Tatbestandsmerkmal verselbstständigt, dass allein die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34). Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertragsabschlusses zwischen nahen Angehörigen nicht ausnahmslos zum Ausschluss der steuerlichen Anerkennung des Vertragsverhältnisses führen darf.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.6.2006, IX R 4/04