Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Beginnt ein Kind nach Abschluss einer Ausbildung zum Bankkaufmann zum erstmöglichen Zeitpunkt eine Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg" an einer Genossenschaftsakademie, so handelt es sich regelmäßig um den zweiten Ausbildungsteil einer mehraktigen erstmaligen Berufsausbildung.
Sachverhalt
Streitig war, ob die berufsbegleitende Teilnahme an einem Bankcolleg einer Genossenschaftsakademie der Volks- und Raiffeisenbanken mit dem Ziel der Erlangung eines Abschlusses zum "Bankfachwirt Bankcolleg&" noch Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung ist, wenn das Kind erst kurz zuvor eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen hat.
Ab dem 1.8.2014 absolvierte der Sohn des Anspruchsberechtigten eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei einer Volksbank. Die Ausbildung sollte am 31.1.2017 enden. Daraufhin hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab 1.2.2017 auf.
Am 6.4.2017 meldete sich der Sohn zum Bankcolleg für ein Bankfachwirt-Studium bei einer Genossenschaftsakademie an. Er erhielt bereits am 7.4.2017 eine Zusage. Die Einführungsveranstaltung fand am 20.5.2017 statt. Das erste Semester begann am 3.6.2017.
Den erneuten Kindergeldantrag des Anspruchsberechtigten lehnte die Familienkasse ab mit der Begründung, das Kind habe bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen, befinde sich aktuell in einer weiteren Berufsausbildung und könne kindergeldmäßig nicht berücksichtigt werden, da es daneben einer Erwerbstätigkeit nachgehe.
Entscheidung
Dies sah das Finanzgericht jedoch anders und gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegten Klage des Anspruchsberechtigten statt.
Der Beginn der weiterführenden Ausbildung fand zwar erst mit Semesterbeginn am 3.6.2017 statt. Somit greift § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erst für den Zeitraum ab Juni 2017 ein. Für die Monate Februar 2017 bis Mai 2017 lagen jedoch die besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG vor. Danach bleibt die Kindergeldberechtigung bestehen, wenn sich das Kind in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt. Bei der Ausbildung zum Bankkaufmann und der nachfolgenden Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg&" bzw. "Bankfachwirt IHK&" handelt es sich um eine mehraktige erstmalige Berufsausbildung. Deshalb liegt eine Unterbrechung zwischen zwei Ausbildungsabschnitten vor.
Die Ausbildung zum Bankkaufmann und die sich anschließende Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg&" bzw. "Bankfachwirt IHK&" stellen mehraktige Ausbildungsmaßnahmen einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung dar. Auf den Umfang der Erwerbstätigkeit kommt es deshalb nicht an. Im Streitfall war der enge sachliche Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und der Ausbildung zum "Bankfachwirt Bankcolleg&" bzw. "Bankfachwirt IHK&" für das Finanzgericht offenkundig. Denn es handelt sich um dieselbe Berufssparte und um denselben fachlichen Bereich. Dass die beiden Ausbildungsabschnitte im Rahmen von unterschiedlichen Qualifikationsstufen auf das zukünftige Berufsfeld vorbereiten, ist dabei unerheblich. Denn die Ausbildung zum Bankfachwirt hat das Ziel, die Lerninhalte des Ausbildungsgangs zum Bankkaufmann zu vertiefen und zu erweitern. Da das Kind die weiterführende Ausbildung zum Bankfachwirt auch zum nächstmöglichen Zeitpunkt nach Beendigung der Ausbildung als Bankkaufmann begonnen hatte, war der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten gewahrt.
Allein aus dem Umstand, dass es sich bei dem Abschluss "Bankfachwirt Bankcolleg&" um eine brancheninterne kaufmännische Aufstiegsfortbildung durch die Genossenschaftsakademien der Volks- und Raiffeisenbanken handelt, kann auch nicht der Schluss gezogen werden, dass die betroffene Ausbildungsmaßnahme keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist. Denn sie ist auch Grundlage für den öffentlich-rechtlich anerkannten Abschluss "geprüfter Bankfachwirt/geprüfte Bankfachwirtin&", der von der Industrie- und Handelskammer vergeben wird.
Hinweis
Das Finanzgericht weicht mit seiner Entscheidung von der Auffassung des Finanzgerichts Münster ab (Urteile v. 23.5. 2017, 1 K 3050/16 Kg, Revision eingelegt, Az beim BFH XI R 25/17 und 1 K 2410/16 Kg, Revision eingelegt, Az beim BFH III R 18/17). Das Finanzgericht hat daher die Revision zugelassen, die unter dem Az. III R 12/18 anhängig ist.
Zwischenzeitlich hat der Bundesfinanzhof in der Streitsache III R 18/17 mit Urteil v. 11.4.2018 gegen den Anspruchsberechtigten entschieden, dass die Ausbildung zur Steuerfachangestellten bereits eine abgeschlossene erstmalige Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG darstellt, sofern nicht unmittelbar im Anschluss an die Beendigung der Ausbildung zur Steuerfachangestellten mit der Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft begonnen wird. Im Streitfall hatte das Kind in 2013 die Ausbildung als Steuerfachangestellte abgeschlossen, jedoch erst im August 2014 mit dem Besuch der Fachschule begonnen, obwohl dies be...