Leitsatz
1. Ordnet das Insolvenzgericht nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Nachtragsverteilung durch den früheren Insolvenzverwalter an, tritt für den im Beschluss genannten Gegenstand der Nachtragsverteilung wieder Insolvenzbeschlag ein mit der Folge, dass insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim früheren Insolvenzverwalter liegt.
2. Die durch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens eingetretene Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens wird spätestens durch das Fortsetzungsbegehren des früheren Insolvenzverwalters beendet.
3. Stellt ein Steuerpflichtiger, der zur Einreichung einer Steuererklärung gesetzlich verpflichtet ist, vor Ablauf der Festsetzungsfrist bei dem für ihn zuständigen FA einen Antrag, kommt diesem die Rechtswirkung des § 171 Abs. 3 AO nur dann zu, wenn sich das von ihm verfolgte Begehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem Antrag selbst ergibt; Angaben zur betragsmäßigen Auswirkung sind für die Bestimmtheit des Antrags für sich genommen nicht ausreichend.
4. Soweit dem Steuerpflichtigen wegen fehlender Unterlagen genaue Angaben (noch) nicht möglich sind, muss er zur Konkretisierung seines Antrags auf Schätzung eines Gesamtbetrags der Einkünfte in einer bestimmten Höhe gegenüber dem FA eine substantiierte eigene Schätzung anhand der ihm zugänglichen Erkenntnisquellen vornehmen.
Normenkette
§ 171 Abs. 3 und 13, § 162, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 203 InsO, § 240 ZPO, § 65 FGO, § 10d Abs. 1 Satz 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Die GmbH reichte für das Jahr 2008 keine Steuererklärung mehr ein. Am 1.4.2010 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Das FA erließ weder einen Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2008, noch meldete es im Insolvenzverfahren Körperschaftsteuer 2008 zur Insolvenztabelle an.
Am 18.12.2015 beantragte der Kläger beim FA, da zum 31.12.2015 der Ablauf der Festsetzungsfrist drohte und nicht alle Geschäftsunterlagen vorlagen, den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf ./. 1.000.000 EUR festzustellen und die Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 auf 0,00 EUR festzusetzen. Die Bearbeitung dieser Anträge – so der Kläger weiter – könne bis auf Weiteres zurückgestellt werden, da seine Prüfungen noch andauerten.
Am 7.11.2016 reichte der Kläger u.a. die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2008 ein. Darin wurde ein Gesamtbetrag der Einkünfte sowie ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von ca. ./. 300.000 EUR erklärt. Außerdem wurde ein Verlustrücktrag nach 2007 beantragt.
Das FA lehnte sowohl den Antrag auf Festsetzung von Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 als auch den beantragten Verlustrücktrag in das Jahr 2007 ab, da am 31.12.2015 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der Antrag vom 18.12.2015 habe keine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO bewirkt. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Vorinstanz (FG Nürnberg, Urteil vom 27.11.2018, 1 K 488/17, Haufe-Index 13003136, EFG 2019, 664) gab der Klage statt. Der Antrag vom 18.12.2015 habe den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt.
Im Laufe des Revisionsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 28.5.2019 (ohne Vorbehalt der Nachtragsverteilung) aufgehoben. Durch Beschluss vom 13.6.2019 wurde die Nachtragsverteilung angeordnet. Der Kläger hat mitgeteilt, dass das Verfahren fortzusetzen ist.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Dabei sah er den Insolvenzverwalter weiter als Kläger an, weil die Anordnung der Nachtragsverteilung dessen (erneute) Prozessführungsbefugnis begründet hat. Die Unterbrechung des Verfahrens endete jedenfalls mit dem Fortsetzungsbegehren des Klägers.
Hinweis
1. Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt, so läuft – soweit der Antrag reicht – nach § 171 Abs. 3 AO die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
2. Die Regelung ist wenig mit der (bloßen) Anlaufhemmung bei Abgabe einer Steuererklärung (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO) abgestimmt, weshalb die Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil vom 18.6.1991 VIII R 54/89, BStBl II 1992, 124; BFH, Urteil vom 22.1.2013, IX R 1/12, BStBl II 2013, 663) versucht, durch einschränkende Auslegung des § 171 Abs. 3 AO die Gleichbehandlung aller zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichteten Steuerpflichtigen herbeizuführen. Wer seine Steuererklärung nicht fristgerecht abgibt, soll nicht besser behandelt werden als der, der seine Steuererklärung abgibt.
3. Diesem Versuch der Gleichbehandlung fügt das Besprechungsurteil einen weiteren Mosaikstein hinzu: Wer zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet ist, muss in einem Antrag auf Steuerfestsetzung, dem keine Steuererklärung beigefügt ist, zur Konkretisierung seines Antrags gegenüber dem FA eine substantiierte eigene Schätzung des Gesamtbetra...