Leitsatz
1. Die USt-Befreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) kommt gem. § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG nicht in Betracht für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen.
2. Der Gesetzeszweck des § 6a UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. Die Frage des Nachweises des Bestimmungsorts ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG.
3. USt-Sonderprüfungen sind zwar Außenprüfungen i.S.d. § 173 Abs. 2 AO, eine Änderungssperre lösen sie aber nur aus, wenn die daraufhin ergangenen Bescheide endgültigen Charakter haben.
Normenkette
§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a, § 25a Abs. 1, Abs. 7 UStG 1999, § 17a, § 17c UStDV 1999, § 173 Abs. 2 AO, Art. 26a Teile B und D, Art. 28c Teil A der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Kfz-Händler hatte Gebrauchtwagen nach Spanien geliefert. Das FA versagte die Steuerbefreiung als Innergemeinschaftliche Lieferung, weil der Abnehmer – eine "Scheinfirma" – seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt habe.
Das FG gab der Klage z.T. statt, soweit belegmäßig ordnungsgemäß nachgewiesen sei, dass der Geschäftsführer des Abnehmers die Fahrzeuge abgeholt habe (bei jedem Kfz: Rechnungsdoppel; Ausweiskopie mit Firmenstempel und Vermerk "Abholer" versehen; Versicherung nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV).
Entscheidung
Die Revision des FA führte zur Zurückverweisung, weil das FG zum Buchnachweis keine Feststellungen getroffen hatte. Den Belegnachweis hielt der BFH auch hinsichtlich des Bestimmungsorts für erbracht, weil die Würdigung des FG, dass sich der Bestimmungsort vorliegend aus der auf den Rechnungen ausgewiesenen Anschrift des Abnehmers ergibt, für die deren Geschäftsführer die Fahrzeuge abgeholt hat, nicht zu beanstanden sei.
Hinweis
1. Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) ist ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen (§ 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG; Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. c i.V.m. Art. 28c Teil A Buchst. c der 6. EG-RL). Lieferungen eines "Wiederverkäufers", d.h. eines Unternehmers, der gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert, sind steuerpflichtig.
2. Die Mitgliedstaaten dürfen nach Art. 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-RL zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung und zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch die Bedingungen für die innergemeinschaftliche Lieferung festlegen. Dem dienen die Regelungen in §§ 17 ff. UStDV. Ob diese Anforderungen dem gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen, ist unerheblich, wenn Zweifel bestehen, ob der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist. Auch gemeinschaftsrechtlich darf berücksichtigt werden, wenn ein verspäteter Nachweis zu einer Gefährdung des Steueraufkommens geführt hat, und kann die Steuerbefreiung versagt werden, obwohl zweifelsfrei die innergemeinschaftliche Lieferung feststeht (so Schlussantrag in der Rs. C-145/05 – Collee –).
Der Steuerpflichtige muss sowohl den Belegnachweis (§ 17a UStDV) als auch den Buchnachweis (§ 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV) führen können. Es muss leicht und eindeutig nachprüfbar sein, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt. Das soll in Abholfällen der Unternehmer u.a. nachweisen
- durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
- durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
- durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
- in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.
"Soll" heißt nur, dass das Fehlen einer der genannten Voraussetzungen nicht zwangsläufig dazu führt, dass die Steuerbefreiung zu versagen ist. Allerdings "sollen" alle 4 Nachweise – also auch der Bestimmungsort – erbracht werden, weil es in Abholfällen i.d.R. den in § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV geforderten "handelsüblichen Beleg nicht gibt, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt".
Der Bestimmungsort kann sich aus anderen Belegen ergeben. Ob das leicht und eindeutig möglich ist, ist Tatsachenwürdigung und obliegt dem FG.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.12.2006, V R 52/03