Dr. Hans Flick, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Erzielt ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger ausländische Kapitalerträge, von denen im Ausland Quellensteuer einbehalten wurde, ist die ausländische Quellensteuer nach § 34 c EStG grundsätzlich auf die deutsche ESt anzurechnen. Dadurch wird eine Doppelbesteuerung von ausländischen Kapitalerträgen vermieden. Außerdem wird nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA die Quellensteuer in der Regel auf 15 v.H. begrenzt, so dass die darüber hinausgehende Quellensteuer erst gar nicht abgezogen oder von der Finanzbehörde im Quellenstaat erstattet wird.
Nach neuen Erkenntnissen versuchen auch im Ausland Ansässige, deren Ansässigkeitsstaat (Drittstaat) kein entsprechendes DBA mit dem Quellensteuerstaat abgeschlossen hat und der eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer nicht zulässt, sich diese Regelung zunutze zu machen. Dazu wird grundsätzlich folgende Vorgehensweise gewählt.
Der im Drittstaat Ansässige veräußert seine aus dem Quellensteuerstaat stammenden Wertpapiere (zB Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere) kurz vor dem Ausschüttungs- oder Zahlungstermin an einen in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften.
Dabei wird zwischen den Beteiligten bereits der spätere Rückkaufpreis der Wertpapiere unter Berücksichtigung der zu erwartenden Dividenden- oder Zinszahlung und der steuerlichen Auswirkung bei dem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen festgelegt.
Für den deutschen Fiskus bedeutet diese Fallgestaltung, dass einerseits die vom in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen bezogene Dividende zwar der Besteuerung unterliegt, die deutsche Steuer jedoch um die anzurechnende ausländische Steuer gemindert wird, während andererseits die auf den (ausschüttungsbedingten) Verlust aus der Rückveräußerung der Wertpapiere entfallende Steuerminderung dem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen voll zugute kommt.
In derartigen Fällen wird gebeten, die Auffassung zu vertreten, dass ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO vorliegt, da außer der Steuervermeidung kein erkennbarer wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird. Beim in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen sind deshalb sowohl der Wertpapiererwerb als auch der Veräußerungsvorgang außer Betracht zu lassen sowie die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer zu versagen.