Dr. Hans Flick, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Unter Bezugnahme auf die Erörterung mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für den Nachweis über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anrechnung fiktiver Quellensteuern bei Zinseinkünften nach DBA folgendes:
1. Anrechnung fiktiver Quellensteuer
Zahlreiche deutsche DBA sehen bei Zinseinkünften, die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Steuerpflichtige aus den betroffenen Vertragsstaaten beziehen, auch dann eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern vor, wenn diese effektiv – ganz oder zum Teil – nicht erhoben worden sind (Anrechnung fiktiver Quellensteuer). Die Voraussetzungen für die Anrechnung fiktiver Quellensteuern sind in den einzelnen DBA unterschiedlich geregelt.
1.1 Fallgruppenunterscheidung
Bei den zurzeit bestehenden DBA sind bei den Vorschriften zur Anrechnung fiktiver Quellensteuer vier Fallgruppen zu unterscheiden.
1.1.1 Anrechnung aufgrund ausdrücklich aufgeführter Rechtsvorschriften
DBA, nach denen die Anrechnung fiktiver Quellensteuer davon abhängt, dass der andere Vertragsstaat aufgrund im DBA ausdrücklich aufgeführter Rechtsvorschriften auf die Erhebung einer Quellensteuer bei Zinseinkünften verzichtet (Ägypten und Spanien).
1.1.2 Anrechnung zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Quellenstaats
DBA, nach denen die Anrechnung fiktiver Quellensteuer davon abhängt, dass der andere Vertragsstaat zur Förderung seiner wirtschaftlichen Entwicklung auf die Erhebung einer Quellensteuer von Zinseinkünften verzichtet (Elfenbeinküste, Griechenland, Israel, Jamaika, Kenia, Liberia, Malta, Marokko, Singapur, Trinidad und Tobago, Tunesien, Türkei, Venezuela und Zypern).
1.1.3 Begrenzung der Anrechnung auf den allgemein geltenden Steuersatz
In einer Reihe von DBA ist – zum Teil neben den in den Tz. 1.1.1 und 1.1.2 genannten Voraussetzungen – vorgesehen, dass sich der Anrechnungshöchstsatz für die Anrechnung fiktiver Quellensteuer entsprechend verringert, wenn der in dem anderen Vertragsstaat geltende allgemeine Steuersatz auf Zinsen unter diesen Anrechnungshöchstsatz sinkt (Ägypten, Israel, Jamaika, Kenia, Korea, Malaysia, Malta, Sri Lanka, Trinidad und Tobago sowie Türkei).
1.1.4 Anrechnung ohne besondere Voraussetzungen
DBA, nach denen eine Anrechnung fiktiver Quellensteuern ohne besondere Voraussetzungen vorgesehen ist (Argentinien, Bangladesch, Bolivien, Brasilien, VR China, Ecuador, Indien, Indonesien, Mongolei, Philippinen, Portugal, Uruguay und Vietnam).
2. Nachweis der Voraussetzungen
Für den Nachweis der in Tz. 1.1 genannten Voraussetzungen zur Anrechnung fiktiver Quellensteuer im Einzelfall sind die folgenden Ausführungen zu beachten.
2.1 Nachweis bei ausdrücklich aufgeführten Rechtsvorschriften
Bei den unter Tz. 1.1.1 genannten Fällen wird von einer besonderen Regelung abgesehen, da mit Ägypten bislang noch kein Fall von Anrechnung fiktiver Quellensteuer bekannt geworden ist.
Nach dem DBA mit Spanien ist eine Anrechnung fiktiver Steuern nur bei Kreditinstituten vorgesehen. Eine Anrechnung fiktiver Steuern kann nur bei einer gezielten Quellensteuersenkung erfolgen, wie sie im Decreto-Ley 19/1961 und zuletzt im Decreto-Ley 61/1978 geregelt wurde. Derzeit erfolgt keine Anrechnung (BMF-Schreiben vom 18. November 1991, BStBl. I 1991, 975 und Rundvfg. S 1301 A - ES07 - St 58 [ofix: DBA/ES/6]).
2.2 Nachweis bei Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Quellenstaats
2.2.1 Nachweispflicht des Steuerpflichtigen
Der Nachweis, dass einer der in Tz. 1.1.2 genannten Vertragsstaaten zur Förderung seiner wirtschaftlichen Entwicklung auf eine Besteuerung der Zinsen – ganz oder zum Teil – verzichtet, ist im Einzelfall von dem Steuerpflichtigen zu führen, der sich hierauf beruft (§ 90 Abs. 2 AO). Hierzu ist regelmäßig zum Nachweis eines Steuerverzichts zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Quellenstaats eine Bestätigung der nach dem jeweiligen DBA für die Abkommensanwendung zuständigen ausländischen Behörde von dem Steuerpflichtigen vorzulegen.
2.2.2 DBA Türkei
Für die Türkei besteht bereits eine allgemeine Regelung in den BMF-Schreiben vom 12. September 1995 (BStBl. I 1995, 678 und Rundvfg. S 1301 A - TR.02 - St 58 [ofix: DBA/TR/3]) und vom 29. Oktober 1996 (BStBl. I 1996, 1218 und Rundvfg. S 1301 A - TR.02 - St 58 [ofix: DBA/TR/4]). Hiernach gilt ab dem Jahr 1993 für Zinszahlungen an ausländische Gläubiger eine allgemeine Steuerbefreiung in der Türkei. Dieser Quellensteuerverzicht dient nach Angaben des türkischen Finanzministeriums der Förderung der türkischen Wirtschaft. Hierzu ist kein gesonderter Nachweis durch den Steuerpflichtigen erforderlich.
2.2.3 Nachweis durch das deutsche Kreditinstitut
Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Steuerpflichtige künftig auf eine Bestätigung beruft, die dem deutschen Konsortialführer oder einer anderen Konsortialbank des Kredits oder der Anleihe vorliegt. Die Bestätigung muss von der nach dem jeweiligen DBA für die Abkommensanwendung zuständigen ausländischen Behörde ausgestellt worden sein und die Feststellung e...