A. Gesetzestexte
Rz. 1
Art. 3 ErbStRG
Rückwirkende Anwendung des durch dieses Gesetz – das ErbStRG v. 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018) – geänderten Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts
(1) Ein Erwerber kann bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung beantragen, dass die durch dieses Gesetz geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, mit Ausnahme des § 16 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, und des Bewertungsgesetzes auf Erwerbe von Todes wegen anzuwenden sind, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist. In diesem Fall ist § 16 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl. I S. 278), der zuletzt durch Artikel 19 Nr. 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1790) geändert worden ist, anzuwenden.
(2) Ist die Steuer, die auf einen Erwerb von Todes wegen nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist, vor dem 1. Januar 2009 festgesetzt worden, kann der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach In-Kraft-Treten des Gesetzes gestellt werden; in diesem Fall kann die Steuerfestsetzung entsprechend geändert werden.
(3) Der Erwerber kann den Antrag nicht widerrufen, wenn die Steuerfestsetzung nachträglich deshalb geändert wird, weil er gegen die Verschonungsvoraussetzungen (§§ 13a, 19a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3018) verstoßen hat.
Art. 6 Abs. 3 ErbStRG
Artikel 3 tritt am 1. Juli 2009 außer Kraft.
Art. 14 Wachstumsbeschleunigungsgesetz
Anwendung des Art. 3 ErbStRG
Hat ein Erwerber einen Antrag nach Artikel 3 Absatz 1 des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3018) gestellt, ist Artikel 3 Absatz 1 und 3 des Erbschaftsteuerreformgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der §§ 13a und 19a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3018) die §§ 13a und 19a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Artikels 6 des Gesetzes vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3950) treten.
B. Erläuterungen
I. Allgemeines
Rz. 2
Ein Gesetz mit beschränkter Haltbarkeit: Gültig ab 1.1.2009 trat Art. 3 ErbStRG bereits am 1.7.2009 außer Kraft (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ErbStRG). Zeitlich befristet konnte danach ausschließlich für Erwerbe von Todes wegen mit Steuerentstehungszeitpunkten nach dem 31.12.2006 und vor dem 1.1.2009 die rückwirkende Anwendung des neuen, ab 1.1.2009 geltenden ErbStG und des BewG beantragt werden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ErbStRG); ausgenommen von dieser bewussten Durchbrechung des Stichtagsprinzips war lediglich die Freibetragsvorschrift des § 16 ErbStG (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ErbStRG).
Rz. 3
Dass die damit für einschlägige Fälle gewollte Möglichkeit zur Rosinenpickerei trotz entsprechender Initiative des Bundesrats nicht verlängert wurde, stieß nicht auf Zustimmung. Die Praxis, die noch geraume Zeit auf nähere Anwendungsvorschriften der Finanzverwaltung warten musste, war dadurch vielfach zu einer vorsorglichen Beantragung genötigt.
Rz. 4
Beachten Sie: Mit Art. 14 Wachstumsbeschleunigungsgesetz, gültig nur vom 1.1. bis 1.7.2010 (Art. 15 Abs. 3 und 5 Wachstumsbeschleunigungsgesetz), sorgte der Gesetzgeber dafür, dass die durch Art. 6 Nr. 1 und 3 Wachstumsbeschleunigungsgesetz entschärften Verschonungsvoraussetzungen für den Erwerb unternehmerischen Vermögens auch bei Anwendung der Optionsregelung des Art. 3 ErbStRG gelten sollten. Dies war konsequent, wirkte sich aber nur bei rechtswirksamer Antragstellung des Erwerbers aus, wobei die zeitliche Beschränkung der Vorschrift zu einer differenzierten Beachtung der Bescheidlage zwang.
Rz. 5
Hinweis: Es scheint, als habe der Gesetzgeber anlässlich der mit dem Jahressteuergesetz 2010 v. 8.12.2010 verwirklichten erbschaft-/schenkungsteuerlichen Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Ehegatten (s. § 37 Rz. 12 ff.) an eine Anpassung des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG nicht gedacht. Bei wörtlicher Anwendung von Satz 1 dieser Norm waren alle Änderungen des ErbStG, die dem ErbStRG, geltend ab 1.1.2009 (Art. 6 Abs. 1 ErbStRG), nachfolgten, nicht optionabel. Die Anwendbarkeit später in Kraft getretener Vorschriften hätte daher, wie hinsichtlich §§ 13a, 19a ErbStG durch Art. 14 Wachstumsbeschleunigungsgesetz geschehen (s. vorstehend Rz. 4), klar und eindeutig angeordnet werden müssen. Das JStG 2010, gültig ab 14.12.2010 (Art. 32 Abs. 1 JStG 2010), enthält eine solche Anordnung nicht. Möglicherweise fehlte damit die Rechtsgrundlage, überlebende Lebenspartner bei erbschaftsteuerbaren Erwerben der Jahre 2007 und 2008 auch im Falle wirksamer Option nach Art. 3 ErbStRG wie Ehegatten zu besteuern (s. § 37 Rz. 12.1).