Rz. 1
III. Behandlung wesentlicher Beteiligungen bei Wohnsitzwechsel
1. Gesetzesleitsatz:
Bei einer natürlichen Person, die insgesamt zehn Jahre steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts beendet worden ist, greift die Steuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen so ein, als wäre die Beteiligung bei Wegzug veräußert worden.
Begründung:
Nach deutschem Recht sind Gewinne aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb steuerpflichtig. Handelt es sich um eine Beteiligung an einer deutschen Gesellschaft, so greift die Besteuerung auch bei beschränkter Steuerpflicht ein; sie wird jedoch durch die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig aufgehoben.
In der Öffentlichkeit sind Fälle bekanntgeworden, in denen Steuerpflichtige in Ländern, mit denen die Bundesrepublik Doppelbesteuerungsabkommen unterhält, verzogen sind und danach ihre wesentliche Beteiligung veräußert haben. Handelte es sich um Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften, so entfiele die deutsche Steuerpflicht. Bei Beteiligungen an deutschen Gesellschaften wäre zwar beschränkte Steuerpflicht gegeben gewesen; sie würde aber durch Eingreifen der Doppelbesteuerungsabkommen aufgehoben.
Die Steuerreformkommission (Tz. 10 ihres Berichts) hat nur in dem letztgenannten Fall ein Problem gesehen. Zur Lösung schlägt sie vor, bei Wegzug in Abkommensländer eine Veräußerung zu unterstellen. Ergebnis wäre, daß zB bei Wegzug nach Frankreich oder nach den USA – und auch in die Schweiz – die Steuerpflicht auf Grund angenommener Veräußerung einträte, nicht jedoch bei Wegzug in Steueroasenländer wie Liechtenstein, mit denen kein deutsches Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Dieser Lösung kann nicht gefolgt werden.
Ausgangspunkt muß die Überlegung sein, daß Gewinne, die dem Steuerpflichtigen während seiner Ansässigkeit in Deutschland auf die Beteiligung zugewachsen sind, stets auch in der Bundesrepublik versteuert werden müssen. Aus dieser Sicht kann es – schon aus dem Gesichtspunkt einer gleichmäßigen Behandlung – keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige in ein Abkommensland oder in einen anderen Staat verzieht. Ebenso muß es unerheblich bleiben, ob er in inländischen oder in ausländischen Beteiligungen investiert hat.
2. Gesetzesleitsatz:
Anteile, für die die natürliche Person nachweist, daß sie ihr schon beim Zugang gehörten, gelten nicht als beim Wegzug veräußert.
Begründung:
Da die Erfassung der angewachsenen stillen Reserven durch das Ziel bestimmt ist, die während der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in Deutschland zugewachsenen stillen Reserven zu erfassen, müssen Anteile ausgeklammert bleiben, die er beim Zuzug nach Deutschland mitgebracht hat. Die Steuerreformkommission hat dieses Problem nicht behandelt.
3. Gesetzesleitsatz:
Handelt es sich um eine vorübergehende Abwesenheit aus beruflichen Gründen und kehrt der Steuerpflichtige innerhalb angemessener Frist nach Deutschland zurück, so entfällt die Besteuerung auf Grund angenommener Veräußerung.
Begründung:
Die Annahme einer steuerpflichtigen Veräußerung bei Wegzug läßt Härten befürchten, wenn der Steuerpflichtige aus beruflichen Gründen ins Ausland in der Erwartung geht, daß er später wieder nach Deutschland zurückkehrt. Hier sollte die Besteuerung nicht eingreifen.
4. Gesetzesleitsatz:
Die auf Grund der angenommenen Veräußerung geschuldete Steuer ist auf Antrag gegen Sicherheitsleistung in regelmäßigen Teilbeträgen für einen angemessenen Zeitraum zu stunden, wenn die sofortige Einziehung mit Härten verbunden wäre.
Begründung:
Die Besteuerung läßt Härten befürchten, weil die Steuer aus einem Gewinn zu entrichten ist, der dem Steuerpflichtigen tatsächlich keine Mittel eingebracht hat. Deshalb sollte eine Steuerstundung vorgesehen werden.