Rz. 60
[keine Änderungen zu § 6 AStG]
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Vom Ausschuss abgelehnter Entschließungsantrag
Die Fraktion der FDP brachte einen Entschließungsantrag ein
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP (Wegzugsbesteuerung, § 6 AStG)
„In die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache
19/28652 ist folgende Ausschlussentschließung aufzunehmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
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I. Zwischen Wegzügen in die EU und EWR-Staaten einerseits und Wegzügen in Drittstaaten andererseits zu differenzieren, dabei aber den Beitreibungsregelungen und dem Informationsaustausch zwischen den Staaten ausreichend Rechnung zu tragen; |
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II. die Stundungsregeln bei der Wegzugsbesteuerung unionsrechtskonform auszugestalten, indem bei der Entstrickung von Privatvermögen eine unbefristete Stundung ermöglicht und lediglich bei der Entstrickung von Betriebsvermögen eine ratierliche Stundung vorgesehen wird; |
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III. nur in solchen Fällen Sicherheiten zu fordern, in denen das Risiko der Nichteinziehung insbesondere wegen des Fehlens von Mechanismen der gegenseitigen Unterstützung bei der Beitreibung besteht und in allen übrigen Fällen auf ein Bestellen von Sicherheiten zu verzichten; und |
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IV. sicherzustellen, dass Wertminderungen, die erst nach Wegzug und vor Erhebung der Steuer eintreten, weiterhin zu berücksichtigen soweit sie nicht bereits vom Aufnahmestaat berücksichtigt werden und zu diesem Zweck in den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG ein Wertfeststellungsverfahren einzuführen, das mit Wertfeststellungsbescheid abgeschlossen wird und den Wert der Anteile des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Beschränkung bzw. des Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechts (Wertfeststellungszeitpunkt) feststellt.” |
Begründung:
„Die aktuelle Rechtslage sowie die im Entwurf des ATAD-Umsetzungsgesetzes geplanten Verschärfungen der Wegzugsbesteuerung belasten deutsche Unternehmen und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Ungeachtet eines tatsächlichen Liquiditätszuflusses werden Anteile nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG besteuert als würden sie veräußert, soweit ihr Inhaber mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aufgibt, § 6 Abs. 1 AStG.
Dies ist insbesondere für Familienunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft fatal. Denn bereits zu Ausbildungszwecken ist es nicht unüblich, dass Gesellschafter ins Ausland ziehen, um dort Berufs- oder Lebenserfahrungen zu sammeln. Auch als Gesellschafter ohne Einfluss auf die Geschäftsführung ist ein Umzug ins Ausland fatal: Ohne dass ein Liquiditätszufluss erfolgen würde, setzt die Besteuerung ein. Dies kann erhebliche Liquiditätsprobleme der Steuerpflichtigen und der Familienunternehmen zur Folge haben. Zudem schränkt es die internationale Mobilität der Gesellschafter von Familienunternehmen erheblich ein (vgl. Stellungnahme der Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft vom 30. April 2021).
Eine Besteuerung ohne erfolgten Liquiditätszufluss kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Steuersubstrat des Staates in irgendeiner Weise gefährdet ist. Angesichts umfassender Amtshilfe- und Betreibungsvereinbarungen und -richtlinien zwischen den Mitgliedstaaten von Europäischer Union und Europäischem Wirtschaftsraum, kann die Durchsetzung des Steueranspruchs bei Wegzug in EU- oder EWR-Staaten aber gerade nicht ohne weiteres angenommen werden.
Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung darüber hinaus zwischen Privatvermögen und dem Betriebsvermögen differenziert. Während die Entstrickung des Betriebsvermögens auch bei natürlichen Personen mit strengeren Auflagen verbunden werden kann, hat der EuGH Modalitäten der befristeten Stundung beim Privatvermögen Vorabfassung – wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61 – Drucksache 19/29848 regelmäßig als unionsrechtswidrig verworfen (vgl. Zimmermann, in: IStR 2021, 352). Die Neuregelung der Wegzugsbesteuerung sollte der Rechtsprechung des EuGH daher Rechnung tragen und die sachlich gerechtfertigte Differenzierung zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen reflektieren.
Darüber hinaus hat der EuGH in seiner Rechtsprechung auch hinsichtlich der Zuzugsstaaten Maßstäbe der Stundungsmodalitäten definiert und dabei insbesondere auf bestehende Amtshilferichtlinien oder Beitreibungsvereinbarungen zwischen den Staaten abgestellt. So hat er in der Wächtler-Entscheidung von 2019 (EuGH C-581/17, Urteil der Großen Kammer vom 26. Februar 2019) mit Hinblick auf die bestehenden Beitreibungsverpflichtungen zwischen Deutschland und der Schweiz eine befristete Stundung als rechtswidrig angesehen. Damit ist eine besondere Behandlung des Privatvermögens bei Wegzügen in EU- oder EWR-Staaten a fortiori geboten.
Ob der Zuzugsstaat im EU- oder EWR-Gebiet liegt, sollte konsequenterweise auch bei der Forderung von Sicherheiten Berücksichtigung finden. So sind Sicherheiten für die Steuerforderung nur dann verhäl...