Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
8 Dieses BMF-Schreiben regelt die Grundsätze der Finanzverwaltung für die Prüfung der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Regelungsrahmen des § 1 Absatz 1 AStG in allen grenzüberschreitenden Fällen "einfacher Betriebsstätten" (s. Rn. 13), unabhängig davon, ob im jeweiligen Fall ein DBA anwendbar ist oder nicht (s. aber § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG, der ggf. die Anwendbarkeit von § 1 Absatz 5 Satz 1 bis 7 AStG in DBA-Fällen einschränkt, und Rn. 427 ff.). Grenzüberschreitend sind Betriebsstättensachverhalte (§ 1 Absatz 5 AStG), wenn
- die Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte aufzuteilen sind (Betriebsstättengewinnaufteilung) oder
- die Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens zu ermitteln sind (Betriebsstättengewinnermittlung).
In diesem BMF-Schreiben wird für beide Fälle aus Vereinfachungsgründen der Begriff "Betriebsstättengewinnermittlung" verwendet.
9 Besteht in Fällen ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen und in Fällen inländischer Betriebsstätten ausländischer Unternehmen zwar eine Betriebsstätte nach § 12 AO, aber nicht nach dem jeweils anzuwendenden DBA (entsprechend Artikel 5 OECD-MA, z.B. Einkaufsbüro, Auslieferungslager, Bauausführungen unterhalb der im DBA geregelten Frist), so sind § 1 Absatz 5 AStG, die BsGaV und die Vorschriften dieses BMF-Schreibens nicht anzuwenden, da mangels DBA-Betriebsstätte keine Betriebsstättengewinnermittlung durchzuführen ist.
10 § 1 Absatz 5 AStG und die BsGaV sind Einkünftekorrekturvorschriften (s. § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG, auf den § 1 Absatz 5 AStG Bezug nimmt), die nur zu einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen oder zur Minderung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen führen können.
11 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch, wenn zu entscheiden ist, inwieweit die Anwendung der Vorschrift eines geltenden DBA, die inhaltlich Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA (Fremdvergleichsgrundsatz) entspricht, zu einer Erhöhung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen bzw. zu einer Minderung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen führt. Denn insoweit entfalten die DBA eine Sperrwirkung gegenüber einem anderen Wertansatz, der sich nach den sonstigen innerstaatlichen Vorschriften ergeben kann. Das ist z.B. von Bedeutung, wenn ein Steuerpflichtiger seine Einkünfte entsprechend Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA ermittelt oder wenn eine Einkünfteminderung bzw. Einkünfteerhöhung aufgrund einer Gegenberichtigung entsprechend Artikel 7 Absatz 3 OECD-MA nach diesen Grundsätzen durchzuführen ist. Zur Anwendung dieses BMF-Schreibens auf Sachverhalte, für die ein DBA anzuwenden ist, das dem OECD-MA 2008 entspricht, s. Rn. 427 ff. und Rn. 430 ff.
12 Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens gelten auch für die Ermittlung der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit, die einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, wenn die Betriebsstätte einer Person gehört, die in einem anderen Staat ansässig ist als dem, in dem die Betriebsstätte ihre Geschäftstätigkeit ausübt (s. Artikel 14 OECD-MA vor 2000, der statt von einer "Betriebsstätte" von einer "festen Geschäftseinrichtung" spricht). Dieser Artikel ist zwar aufgehoben, eine entsprechende Regelung besteht aber noch in vielen DBA fort.
13 Dieses BMF-Schreiben gilt nur für Betriebsstätten i.S.d. § 1 Absatz 5 AStG, die Bestandteil eines Unternehmens sind (sog. einfache Betriebsstätten). Die Regelungen gelten dagegen nicht für Betriebsstätten, die angenommen werden, weil einem Mitunternehmer steuerlich Einkünfte einer einfachen Betriebsstätte der Mitunternehmerschaft nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a bzw. § 34d Nummer 2 Buchstabe a EStG anteilig zuzurechnen sind (sog. Mitunternehmerbetriebsstätte); zur Behandlung von Sondervergütungen, § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG, und Sonderbetriebsvermögen s. Rn. 18.
14 Andererseits kann eine Mitunternehmerschaft – ebenso wie eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person – selbst eine einfache Betriebsstätte in einem anderen Staat haben.
Fall – Einfache Betriebsstätte einer Personengesellschaft:
Die inländische A/B-OHG (OHG), an der die Inländer A und B beteiligt sind, hat im Staat Y eine Betriebsstätte.
Lösung:
Nur die OHG hat eine einfache Betriebsstätte in Y, auf die § 1 Absatz 5 AStG anzuwenden ist. Diese einfache Betriebsstätte Y ist gleichzeitig auch eine Mitunternehmerbetriebsstätte für A und B – vermittelt durch die OHG. Das führt aber nicht dazu, dass A und B gleichzeitig auch eine einfache Betriebsstätte haben (s. § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG).
15 Da einem Geschäftsvorfall zwischen einem Mitunternehmer und seiner Mitunternehmerschaft im Regelfall eine schuldrechtliche Beziehung zugrunde liegt, ist die Besteuerung eines solchen Geschäftsvorfalls ggf. nach § 1 Absatz 1 AStG zu berichtigen, nicht nach § 1 Absatz 5 AStG (s. § 1 Absatz 5 Satz 7 AStG), der BsGaV und diesem BMF-Sc...