Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
190 § 17 Absatz 7 BsGaV enthält eine Öffnungsklausel gegenüber der widerlegbaren Annahme des § 17 Absatz 2 BsGaV, dass die Finanzierungsfunktion einer Betriebsstätte gegenüber dem übrigen Unternehmen eine fiktive Dienstleistung darstellt und ihr die betreffenden Vermögenswerte und Passivposten nicht zuzuordnen sind. Eine von § 17 Absatz 2 bis 6 BsGaV abweichende Zuordnung von Vermögenswerten und Passivposten ist vorzunehmen, wenn im Einzelfall
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die Zuordnung zur Finanzierungsbetriebsstätte aus funktionalen Gründen, insbesondere wegen der wirtschaftlichen Substanz der Personalfunktionen, die im Hinblick auf entstehende Vermögenswerte und Passivposten sowie auf die damit zusammenhängenden Chancen und Risiken ausgeübt werden, sachgerecht ist und |
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die entsprechend anzuwendende Verrechnungspreismethode zu einem Ergebnis führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. |
191 Ein Indiz dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann darin liegen, dass anhand von Unterlagen glaubhaft gemacht wird (s. Rn. 63), dass voneinander unabhängige Dritte in vergleichbarer Situation die betreffenden Vermögenswerte und Passivposten übertragen hätten (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 36). Aber auch in einem solchen Fall ist zu berücksichtigen, dass eine Betriebsstätte im Regelfall dasselbe Kreditrating hat wie das Unternehmen, zu dem sie gehört (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 33 und Tz. 99 ff.).
Fall – Zur Abgrenzung:
Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des inländischen Unternehmens X (X) verwaltet die Liquiditätsüberhänge sämtlicher zu X gehörender ausländischer Vertriebs- und Produktionsbetriebsstätten in verschiedenen Staaten. Die inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte übernimmt die unternehmensinterne Finanzierungsfunktion, d.h. sie gleicht die Liquidität innerhalb des Unternehmens aus: Liquiditätsüberschüsse, die in den ausländischen Betriebsstätten entstehen, werden gesammelt und stehen anderen ausländischen Betriebsstätten mit Liquiditätsbedarf zur Verfügung. In geringem Umfang werden kurzfristig entstehende Überschüsse auch extern angelegt, kurzfristiger Finanzierungsbedarf der ausländischen Betriebsstätten wird mit vorhandener Liquidität von X gedeckt.
Lösung:
Es liegt kein Fall des § 17 Absatz 7 BsGaV vor, denn die Finanzierungsfunktion, die die Geschäftsleitungsbetriebsstätte übernimmt, ist mit keinen externen Risiken von X verbunden (ausschließlich oder fast ausschließlich interne Finanzierungsverhältnisse). Die von der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen führen nicht dazu, ihr die entstehenden Liquiditätsüberschüsse zuzuordnen. Diese bleiben den ausländischen Betriebsstätten zugeordnet. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte erhält für die Finanzierungssteuerung ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechendes fiktives Dienstleistungsentgelt (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a und § 16 Absatz 2 BsGaV).
Fallvariante – Finanzierungsrisiko:
Die ausländischen Vertriebs- und Produktionsbetriebsstätten von X stellen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ihre Liquiditätsüberschüsse zur Verfügung, die diese in Handelsportfolien investiert, in denen die unterschiedlichsten Finanzprodukte, z.B. Zinsinstrumente (Anleihen und auf Zinsen gerichtete Derivate) und Aktieninstrumente (Aktien und auf Aktien gerichtete Derivate) miteinander verknüpft werden. Die ausländischen Vertriebs- und Produktionsbetriebsstätten entscheiden, der Geschäftsleitungsbetriebsstätte die Liquiditätsüberschüsse zur Verfügung zu stellen, die Geschäftsleitungsbetriebsstätte steuert das Risikomanagement dieser Portfolien und entscheidet selbständig, in welche Produkte im Rahmen der Risikosteuerung investiert wird. Das Handelsergebnis wird in das Portfolio, das der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet wird, reinvestiert.
Lösung:
Die Handelsportfolien (und damit die liquiden Mittel) sind der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen, wenn nachgewiesen wird,
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dass sie die maßgeblichen Personalfunktionen im Hinblick auf die entstehenden Vermögenswerte und die mit dem Handel verbundenen Chancen und Risiken ohne Beteiligung der anderen Betriebsstätten trifft (§ 17 Absatz 7 BsGaV) und |
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dass die Entscheidung, ihr die Liquiditätsüberschüsse zu überlassen, jeweils in den ausländischen Betriebsstätten getroffen wird. |
Gelingt der Nachweis, so gelten die liquiden Mittel fiktiv als der Geschäftsleitungsbetriebsstätte von den ausländischen Betriebsstätten durch ein kurzfristiges Darlehen zur Verfügung gestellt (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). In diesem Fall sind zwischen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte und den ausländischen Betriebsstätten fiktive Zinsen zu berücksichtigen (§ 16 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV). Zu Beginn des Folgejahrs entfallen die kurzfristigen fiktiven Darlehen (§ 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV), denn die Ausstattung der ausländischen Betriebsstätten mit Dotationskapital erfolgt nach § 13 BsGaV, wodurch die fiktiven internen Darlehensverhältnisse entfallen.