Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
2.3.4.1 Begründung einer Betriebsstätte
64 Wird eine Betriebsstätte begründet, ist nach § 3 Absatz 4 Satz 1 BsGaV zu diesem Zeitpunkt erstmals eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen. Dies gilt auch, wenn sich erst nachträglich herausstellt, dass eine Betriebsstätte begründet wurde (z.B. Fristüberschreitung für Bau- und Montagebetriebsstätten, unbeabsichtigte und unerkannte Betriebsstättenbegründung). Für den fiktiven Erwerb bzw. die fiktive Überlassung von Vermögenswerten sowie für die Zuordnung von Passivposten gelten auch in diesen Fällen die allgemeinen Grundsätze.
65 In den Fällen, in denen die Begründung einer Betriebsstätte, d.h. ihr tatsächliches Entstehen, nicht erkannt wurde und eine Hilfs- und Nebenrechnung nicht nachträglich erstellt werden kann, kann eine Schätzung nach § 162 AO notwendig werden.
66 Aufwendungen, die vor der Begründung einer Betriebsstätte, aber in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit ihrem Entstehen und im Hinblick auf ihre Tätigkeit anfallen (Vorlaufkosten), sind dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, denn einer Betriebsstätte können vor ihrem Entstehen keine Personalfunktionen zugeordnet werden (s. Rn. 71).
67 Dienen Vorlaufkosten der Erzielung von im Inland nach DBA-Regelungen freigestellten Betriebsstätteneinkünften, so sind sie nach dem Veranlassungsprinzip (§ 4 Absatz 4 EStG) im Inland nicht abziehbar (BFH vom 28.4.1983, IV R 122/79, BStBl II, 566; BFH vom 17.12.1998, I B 80/98, BStBl II 1999, 293; vgl. OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 221 ff.). Dies gilt auch dann, wenn es gar nicht zum Entstehen der geplanten ausländischen Betriebsstätte kommt (BFH vom 26.2.2014, I R 56/12, BStBl II, 703). Weist das Unternehmen allerdings nach, dass Vorlaufkosten der Erbringung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (§ 16 BsGaV) dienen, die für das übrige Unternehmen zu steuerpflichtigen Einkünften führen, sind sie insoweit beim übrigen Unternehmen abziehbar.
2.3.4.2 Beendigung einer Betriebsstätte
68 Wird eine Betriebsstätte beendet, ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV zu diesem Zeitpunkt abzuschließen. Alle noch vorhandenen Vermögenswerte und Passivposten der Betriebsstätte gelten fiktiv als an das übrige Unternehmen zu Fremdvergleichswerten veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), der fiktive Veräußerungserlös ist nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen. Eine entsprechende Anwendung des § 11 KStG auf eine Betriebsstätte scheidet auch in den Fällen aus, in denen das Unternehmen, dessen Teil die Betriebsstätte ist, nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.
Fall – Beendigung einer Betriebsstätte:
Unternehmen X im Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B), die in der Hilfs- und Nebenrechnung eine Maschine ausweist. B wird beendet.
Lösung:
Mit der Beendigung von B ist eine fiktive Veräußerung der Maschine an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV) anzunehmen, unabhängig davon, ob die Maschine in Staat B verbleibt oder nicht.
69 Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte, die zu einem Zeitpunkt anfallen, zu dem die Betriebsstätte nicht mehr besteht, gehören nicht zu den Einkünften der Betriebsstätte, sondern zu den Einkünften des übrigen Unternehmens. Denn nach § 3 Absatz 4 Satz 2 BsGaV gelten die zugrunde liegenden Geschäftsvorfälle und Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte als fiktiv an das übrige Unternehmen veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV).
2.3.5 Hilfs- und Nebenrechnung für die Betriebsstätte eines nicht bilanzierenden Unternehmens (§ 3 Absatz 5 BsGaV)
70 In Fällen, in denen das Unternehmen, zu dem die Betriebsstätte gehört, weder nach inländischem noch nach ausländischem Recht buchführungspflichtig ist und tatsächlich auch keine Bücher führt, ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 Absatz 5 BsGaV entsprechend einer Einnahmenüberschussrechnung i.S.d. § 4 Absatz 3 EStG zu erstellen. § 6 Absatz 7 EStG ist entsprechend anzuwenden, d.h., die Abschreibungen sind ausgehend von den fiktiven Anschaffungskosten zu bemessen. Entsprechend § 3 Absatz 4 BsGaV ist auch in diesen Fällen zum Zeitpunkt der Begründung der Betriebsstätte mit der Hilfs- und Nebenrechnung zu beginnen. Im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte ist die Hilfs- und Nebenrechnung so abzuschließen, dass sie den Übergang der Vermögenswerte und Passivposten zu Werten enthält, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.