Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
76 Ein materielles Wirtschaftsgut ist nach der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen, in der es genutzt wird, da die Nutzung materieller Wirtschaftsgüter insofern als maßgebliche Personalfunktion gilt (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 75). Unter Nutzung i.S.d. § 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV ist der unmittelbare Verbrauch des materiellen Wirtschaftsguts, d.h. dessen Wertverzehr, zu verstehen. Besonderheiten gelten im Zusammenhang mit Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten (§ 7 BsGaV). Da die Nutzung eines materiellen Vermögenswerts immer nur an einem Ort (in einer bestimmten Betriebsstätte) möglich ist, sind Fälle von Funktionsaufteilungen (s. Rn. 42) im Regelfall nicht möglich (s. aber Rn. 79).
Fall (1) – Grundfall:
Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine Maschine wird von Personal von B für eigene betriebliche Zwecke angeschafft und anschließend genutzt.
Lösung:
Die Maschine ist B nach § 5 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen und als Bestandteil der Hilfs- und Nebenrechnung von B (§ 3 BsGaV) auszuweisen.
Fall (2) – Nutzung durch Nutzungsüberlassung:
Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Eine Maschine wird von Personal von B angeschafft und anschließend an ein unabhängiges Unternehmen Y (Y) vermietet.
Lösung:
Die Maschine ist B aufgrund der Nutzung (Vermietung) nach § 5 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen.
Fallfortführung zu Fall (2):
X hat in Staat C die Betriebsstätte C (C). Nach der Vermietung an Y (dieser Geschäftsvorfall ist B nach § 9 Absatz 1 BsGaV zuzuordnen) wird die Maschine auf Dauer von C genutzt.
Lösung:
Die Maschine ist dem übrigen Unternehmen (hier C) zuzuordnen, denn die tatsächliche Nutzung durch C hat wegen der Vermutungsregelung des § 5 Absatz 1 BsGaV Vorrang gegenüber der denkbaren fiktiven Nutzungsüberlassung von B an C.
Fall (3) – Herstellung; Behandlung eines unternehmensinternen fiktiven Anschaffungsvorgangs:
Geschäftszweck des Unternehmens X (X) in Staat A ist u.a. die Herstellung von Spezialmaschinen. X hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Im Jahr 01 beginnt im übrigen Unternehmen die Fertigung einer Maschine, die für B vorgesehen ist. Die Maschine wird in 02 ausgeliefert und anschließend von B genutzt.
Lösung:
Die Maschine ist B mit Beginn der Nutzung in 02 zuzuordnen (§ 5 Absatz 1 BsGaV – Vermutungsregelung). In der Zeit davor ist das unfertige Erzeugnis dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da bis zur Nutzung die Herstellung nach § 5 Absatz 2 BsGaV die maßgebliche Personalfunktion ist. Mit Beginn der Nutzung in 02 durch B gilt die Maschine als fiktiv an diese veräußert (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV). Für die fiktive Veräußerung ist ein Verrechnungspreis anzusetzen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (§ 16 Absatz 2 BsGaV).
77 Wechselt die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts auf Dauer, d.h. unbefristet, von einer Betriebsstätte zu einer anderen, führt das nach § 5 Absatz 1 Satz 2 BsGaV zum Zeitpunkt der Nutzungsänderung zu einer geänderten Zuordnung (fiktive Veräußerung, § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), weil die maßgebliche Personalfunktion (Nutzung) nicht mehr in der bisher nutzenden Betriebsstätte, sondern in der anderen Betriebsstätte ausgeübt wird.
Fall – Dauerhafter Nutzungswechsel:
Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B), die für ihre betrieblichen Zwecke einen PKW erwirbt. Nach einem Jahr wird der PKW nicht mehr für B benötigt. Er wird auf Dauer für die betrieblichen Zwecke des übrigen Unternehmens (hier für die der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) verwendet. Der PKW wird weiterhin in der Hilfs- und Nebenrechnung von B erfasst und ein fremdübliches Entgelt für die fiktive Nutzungsüberlassung von B an X angesetzt.
Lösung:
B ist der PKW wegen des Erwerbs und der anschließenden Nutzung zuzuordnen (§ 5 Absatz 1 Satz 1 BsGaV). Nach Beendigung der Nutzung durch B ist der PKW nach § 5 Absatz 1 Satz 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, da ihn das übrige Unternehmen (hier die Geschäftsleitungsbetriebsstätte) auf Dauer nutzt. Der Nutzungsübergang führt zu einer fiktiven Veräußerung an das übrige Unternehmen (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), für die nach § 16 Absatz 2 BsGaV ein dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechender Betrag zu verrechnen ist. Die steuerliche Behandlung des Vorgangs durch X ist entsprechend zu berichtigen.
78 Wechselt die Nutzung vorübergehend zu einer anderen Betriebsstätte, führt dies zu einer fiktiven Nutzungsüberlassung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) ohne Änderung der Zuordnung, wenn die bisher nutzende Betriebsstätte weiterhin Personalfunktionen hinsichtlich des materiellen Wirtschaftsguts ausübt oder absehbar ist, dass sie das Wirtschaftsgut in Zukunft wieder nutzen wird.
Abwandlung 1 zu Fall Rn. 77 – Vorübergehender Nutzungswechsel:
Der PKW wird nicht auf Dauer, sondern nur für vier Monate für betriebliche Zwecke des übrigen Unternehmens (hier der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) verwen...