Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
93 Die abweichende Zuordnung eines immateriellen Werts nach § 6 Absatz 2 BsGaV aufgrund anderer Personalfunktionen i.S.d. § 6 Absatz 2 Satz 2 BsGaV, insbesondere aufgrund der Nutzung, der Verwaltung, der Weiterentwicklung, dem Schutz oder der Veräußerung des immateriellen Werts, ist nur dann möglich, wenn diesen anderen Personalfunktionen im Einzelfall einzeln oder zusammen nachweislich – ggf. auch bei veranlagungszeitraumübergreifender Betrachtung – qualitativ eine eindeutig überwiegende Bedeutung zukommt und sie deshalb als maßgeblich anzusehen sind (s. auch Rn. 43). Die Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV hat jedoch im Regelfall Vorrang (s. Rn. 91).
94 Der Nachweis der eindeutig überwiegenden Bedeutung einer anderen Personalfunktion wird bei einem immateriellen Wert, der von einer Betriebsstätte selbst geschaffen wurde (erste Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV), eher schwer zu erbringen sein, da die Schaffung eines immateriellen Werts im Regelfall einen erheblichen Einsatz von Personalfunktionen verursacht. Aus diesem Grund wird es häufig dabei bleiben, dass der betreffende immaterielle Wert der Betriebsstätte, die ihn geschaffen hat, auf Dauer zuzuordnen ist. Ein anderes Ergebnis kommt nur in Betracht, wenn die Betriebsstätte, die den immateriellen Wert geschaffen hat, ab einem festzustellenden Zeitpunkt keine Personalfunktionen hinsichtlich des immateriellen Werts mehr ausübt und eine andere Betriebsstätte Personalfunktionen übernimmt, die ab diesem Zeitpunkt als maßgeblich anzusehen sind.
Fall – Schaffung eines immateriellen Werts und weitere Personalfunktionen:
Unternehmen X in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Ein von der Forschungs- und Entwicklungsbetriebsstätte in Staat A in den Jahren 01 bis 03 geschaffener immaterieller Wert wird ab dem Jahr 04 (Fertigstellung) ausschließlich von B genutzt. Das übrige Unternehmen übt nach Nutzungsbeginn durch B keine Personalfunktionen mehr hinsichtlich des immateriellen Werts aus, d.h. Weiterentwicklung, Verwaltung und Schutz erfolgen durch Personalfunktionen von B.
Lösung:
Der immaterielle Wert ist nach § 6 Absatz 1 BsGaV zunächst dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, das ihn geschaffen hat. Dem übrigen Unternehmen sind auch die betreffenden Betriebsausgaben für die Schaffung zuzuordnen. Der Beginn der Nutzung durch die Betriebsstätte A im Jahr 04 ist ein wirtschaftlicher Vorgang, der zu einer fiktiven Veräußerung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV führt, da das übrige Unternehmen nach Schaffung des immateriellen Werts insoweit keine Personalfunktionen mehr ausübt (s. Rn. 47). Mit Beginn der Nutzung ist der immaterielle Wert B nach § 6 Absatz 2 BsGaV mit den Folgen des § 16 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen.
Abwandlung – Zur Abgrenzung:
Nach Beginn der Nutzung durch A wird der immaterielle Wert vom übrigen Unternehmen weiter verwertet (Lizenzierung an andere Unternehmen), verwaltet und geschützt.
Lösung:
Der Beginn der Nutzung des immateriellen Werts durch B ist ein wirtschaftlicher Vorgang. Die Bedeutung der vom übrigen Unternehmen insgesamt (vor und nach dem wirtschaftlichen Vorgang) ausgeübten Personalfunktionen (insbesondere die Schaffung – Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV) überwiegen (über den gesamten Zeitraum der Schaffung und Nutzung gesehen) die Nutzung durch B. Für eine Zuordnungsänderung zu B wäre aber nötig, dass die Bedeutung der Nutzung gegenüber der Schaffung, § 6 Absatz 2 BsGaV, eindeutig überwiegt. Daran fehlt es. Aus diesem Grunde erfolgt keine Zuordnungsänderung vom übrigen Unternehmen zu B. Der wirtschaftliche Vorgang ist nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV als fiktive Lizenzierung zu werten und entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz zu verrechnen (§ 16 Absatz 2 BsGaV).
HINWEIS:
Eine andere Lösung wäre nur in Betracht zu ziehen, wenn von vornherein feststeht, dass B den immateriellen Wert nutzen wird und B die Forschung und Entwicklung von X steuert (fiktive Auftragsforschung, dann § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV).
95 Der Nachweis wird bei einem immateriellen Wert, der von einer Betriebsstätte erworben wird (zweite Vermutungsregelung des § 6 Absatz 1 BsGaV), eher zu erbringen sein, da der Erwerb eines immateriellen Werts im Regelfall keinen erheblichen Einsatz von Personalfunktionen verursacht.
Grundfall – Erwerb eines immateriellen Werts:
Unternehmen X in Staat A hat in Staat B die Betriebsstätte B (B). Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A erwirbt einen immateriellen Wert, der nach Erwerb ausschließlich von B genutzt wird. B war nicht am Erwerbsvorgang beteiligt. Das übrige Unternehmen übt nach Erwerb keine weiteren Personalfunktionen aus.
Lösung:
Der immaterielle Wert ist B von Anfang an nach § 6 Absatz 2 BsGaV zuzuordnen, wenn B durch die Nutzung des immateriellen Werts Personalfunktionen ausübt, die qualitativ (s. Rn. 43) insgesamt eine eindeutig größere Bedeutung für die Zuordnung des immateriellen Werts haben als die Personalfunktion des Erwerbs durch das übrige Unternehmen. Ist das der Fa...