Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
427 In Fällen, in denen die anzuwendende Regelung im konkret geltenden DBA dem Wortlaut des Artikels 7 OECD-MA 2008 entspricht, ist davon auszugehen, dass der andere Staat (OECD-Mitgliedstaat) der Handhabung nach § 1 Absatz 5 AStG, nach der BsGaV und nach diesem BMF-Schreiben auf der Grundlage der Regelung zu den Unternehmensgewinnen im konkreten DBA folgt. Denn unter den OECD-Mitgliedstaaten ist weithin anerkannt, dass eine Interpretation der betreffenden Regelung in dem von diesen Staaten abgeschlossenen DBA entsprechend dem OECD-Betriebsstättenbericht zu erfolgen hat, weil eine solche Interpretation deren Sinn und Zweck besser entspricht als der damalige OECD-Musterkommentar. Das Unternehmen hat deshalb in Fällen mit OECD-Mitgliedstaaten mit altem Abkommen seine Betriebsstätteneinkünfte entsprechend § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV zu erklären. Eine dementsprechende Erklärung im anderen Staat wird im Regelfall nicht zur Doppelbesteuerung führen.
Fall – Dienstleistung mit Kostenaufschlag:
Das inländische Unternehmen X (X) hat im Staat A (DBA entsprechend dem OECD-MA 2008) eine Betriebsstätte A (A). Für eine Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) im Jahr 2008 (Alternative: 2016) erbringt, entstehen A Kosten von 100, die mit einem Aufschlag von 10 % (110) dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend gegenüber X verrechnet werden.
Lösung:
Obwohl nach innerstaatlichem Steuerrecht (§ 4 Absatz 4 EStG) für die Dienstleistung nur die Kosten anzusetzen wären, ist keine Einkünftekorrektur durch die Finanzverwaltung hinsichtlich der Dienstleistung von 110 auf 100 durchzuführen. Die OECD-Staaten haben sich darauf verständigt, den AOA in Fällen wie dem vorliegenden auch für Artikel 7 OECD-MA 2008 anzuwenden. Zur Verhinderung weißer Einkünfte ist der ausländische Steuerbescheid vorzulegen. Alternative: Für das Jahr 2016 ergeben sich keine Abweichungen.
Abwandlung – Zu geringer Kostenaufschlag:
Das inländische Unternehmen X (X), das im Staat A eine Betriebsstätte A (A) hat (DBA entsprechend dem OECD-MA 2008), setzt für eine Dienstleistung, die A dem übrigen Unternehmen gegenüber erbringt, einen Kostenaufschlag von 5 % an. 10 % wären angemessen gewesen. Staat A nimmt eine entsprechende Korrektur unter Berufung auf Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA 2008 vor, die zur Doppelbesteuerung führt.
Lösung:
Die entstandene Doppelbesteuerung ist nach den Änderungsvorschriften der AO – ggf. nach § 175a AO – durch eine Gegenkorrektur Deutschlands zu beseitigen. Für die Alternative (s. Grundfall: 2016) ergeben sich keine Abweichungen.
428 Kommt es in Betriebsstättensachverhalten mit OECD-Mitgliedstaaten mit einem dem OECD-MA 2008 entsprechenden Abkommen zu einer Doppelbesteuerung, ist § 1 Absatz 5 Satz 8 AStG im Regelfall nicht anzuwenden, da der andere Staat den AOA mitgetragen hat. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist ein Verständigungsverfahren zu eröffnen, in dem eine Lösung des entstandenen Besteuerungskonflikts auf der Grundlage OECD-Betriebsstättenbericht anzustreben ist.
429 Wird ein immaterieller Wert fiktiv zur Nutzung überlassen, so gelten für DBA, die dem OECD-MA 2008 entsprechen, Grundsätze, die von den nach dem AOA allgemein geltenden Grundsätzen abweichen (s. Verweis in Rn. 425). Denn – anders als nach dem AOA – enthält der OECD-Kommentar 2008, Tz. 34 für immaterielle Werte, die (auch) in einer Betriebsstätte genutzt werden, die ausdrückliche Aussage, dass
|
lediglich die entstandenen Kosten – ggf. anteilig – abzuziehen sind und |
|
die Verrechnung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht in Betracht kommt. |
In diesem Fall hat das Unternehmen seine Betriebsstätteneinkünfte entsprechend dem damaligen Abkommensverständnis (deutsche Auffassung: s. VWG Betriebsstätten) – ggf. unter Vorlage der Steuererklärung, die er im anderen Staat abgegeben hat, und des betreffenden Steuerbescheids – zu erklären (s. Rn. 430). Er muss in seiner Erklärung auf die Abweichung hinweisen und diese quantifizieren (§ 1 Absatz 5 Satz 8 AStG). Das zuständige Finanzamt klärt, ob der andere Staat ebenfalls eine Besteuerung entsprechend dem OECD-Betriebsstättenbericht vorsieht (offizielle öffentliche Äußerungen), oder es stellt eine entsprechende Anfrage an das für Verständigungsverfahren zuständige Referat des BZSt (Competent Authority).
Fall – Fiktive Lizenzierung ins Inland:
Das inländische Unternehmen X (X) hat in Staat A (DBA entsprechend dem OECD-MA 2008) eine Betriebsstätte A (A). A schafft eigenständig einen immateriellen Wert (Kosten in den Jahren 2000 bis 2006: 400), den A auch nach Schaffung weiter entwickelt. Der immaterielle Wert wird ausschließlich vom übrigen Unternehmen (hier: Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) im Jahr 2009 genutzt. X erzielt im Jahr 2009 aus der Nutzung des immateriellen Werts einen Gewinn von 100 (ohne Verrechnung gegenüber A). Eine fiktive Lizenzierung hätte für das übrige Unternehmen eine an A zu zahlende fiktive Lizenzgebühr von 20 ergeben. Die A für den immateriellen Wert im Jah...