Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
5.1.1 Zuordnungsänderung zu einer ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens
452 Sind Zuordnungsgegenstände i.S.d. §§ 5 ff. BsGaV zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV vom übrigen inländischen Unternehmen dessen ausländischer Betriebsstätte zuzuordnen, liegt eine fiktive Entnahme i.S.d. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG bzw. eine fiktive Veräußerung nach § 12 Absatz 1 KStG vor. Zum Entnahme- bzw. Veräußerungszeitpunkt ist der Zuordnungsgegenstand nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 EStG bzw. § 12 Absatz 1 Satz 1 KStG grundsätzlich mit seinem gemeinen Wert anzusetzen.
Fall – Entstrickung wegen Rechtsänderung:
Die inländische X-GmbH (X) hat eine ausländische Betriebsstätte A (A) in einem EU-Mitgliedstaat A. X ist Eigentümer eines Vermögenswerts (Buchwert 100, gemeiner Wert/Fremdvergleichspreis 150), der keiner ausländischen Betriebsstätte zugeordnet ist. Die Zuordnung war bisher nicht zu beanstanden. Aufgrund des Inkrafttretens der BsGaV ist der Vermögenswert zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung A zuzuordnen.
Lösung:
Aufgrund der bisherigen Zuordnung des Vermögenswerts ist wegen der Zuordnungsänderung zu A gem. § 12 Absatz 1 KStG eine fiktive Veräußerung des Vermögenswerts zum gemeinen Wert (Fremdvergleichspreis) von 150 anzunehmen. Im Zeitpunkt dieser fiktiven Veräußerung entsteht für das übrige Unternehmen ein Gewinn von 50. Da Staat A ein EU-Mitgliedstaat ist, ist § 4g EStG anwendbar.
HINWEIS:
Mangels eines tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgangs liegt keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV vor.
5.1.2 Zuordnungsänderung von einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens zum übrigen Unternehmen
453 Sind Zuordnungsgegenstände i.S.d. §§ 5 ff. BsGaV zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV von einer inländischen Betriebsstätte dem übrigen ausländischen Unternehmen, zu dem die Betriebsstätte gehört, zuzuordnen, liegt eine fiktive Entnahme i.S.d. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG bzw. eine fiktive Veräußerung nach § 12 Absatz 1 KStG vor, auch wenn zu diesem Zeitpunkt kein wirtschaftlicher Vorgang i.S.d. § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV feststellbar ist. Zum Entnahme- bzw. Veräußerungszeitpunkt ist der Zuordnungsgegenstand nach § 6 Absatz 1 Nummer 4 EStG bzw. § 12 Absatz 1 Satz 1 KStG grundsätzlich mit seinem gemeinen Wert anzusetzen.
Fall – Entstrickung wegen Rechtsänderung:
Die Y Ltd. (Y, einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar) mit Sitz und Geschäftsleitung in einem EU-Mitgliedstaat hat die inländische Betriebsstätte B (B), der bisher ein Vermögenswert (Buchwert 100, gemeiner Wert/Fremdvergleichspreis 150) zuzuordnen ist. Aufgrund der erstmaligen Anwendung der BsGaV ist dieser Vermögenswert dem übrigen ausländischen Unternehmen zuzuordnen.
Lösung:
Aufgrund der erstmaligen Zuordnung des Vermögenswerts zum übrigen Unternehmen ist gem. § 12 Absatz 1 KStG eine fiktive Veräußerung des Vermögenswerts zum gemeinen Wert (Fremdvergleichspreis) von 150 anzunehmen. Im Zeitpunkt dieser fiktiven Veräußerung entsteht für B ein Gewinn von 50. Ein Ausgleichsposten gem. § 12 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 KStG i.V.m. § 4g Absatz 1 EStG kann nach dem Gesetzeswortlaut nicht gebildet werden, da die Y Ltd. nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Aus Billigkeitsgründen ist die Bildung eines solchen Ausgleichspostens jedoch zuzulassen (s. Rn. 457).
HINWEIS:
Mangels eines tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgangs liegt keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV vor.
5.2 Zuordnungsänderung vom Ausland ins Inland
454 Fallkonstellationen, die mit denen der Rn. 453 vergleichbar sind, können vorliegen, wenn ein bisher einer ausländischen Betriebsstätte (z.B. auch der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte) zugeordneter Zuordnungsgegenstand zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV einer inländischen Betriebsstätte (z.B. auch der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte) desselben Unternehmens zuzuordnen ist. Es liegt eine Verstrickung i.S.d. § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG vor. Zum Verstrickungszeitpunkt ist der Zuordnungsgegenstand nach § 6 Absatz 1 Nummer 5a EStG grundsätzlich mit seinem gemeinen Wert anzusetzen. Die Regelungen gelten nach § 8 Absatz 1 Satz 1 KStG in gleicher Weise für Körperschaftsteuerpflichtige. Auf Rn. 20 (s. Hinweis zu Fall 4 zum Auskunftsaustausch) wird hingewiesen.
5.3 Billigkeitsmaßnahmen zur Milderung von Liquiditätsbelastungen für die Unternehmen bei Entstrickung sowie besondere Maßnahmen zur Vermeidung internationaler Besteuerungskonflikte
455 Sind Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO in Betracht zu ziehen, weil wegen des Inkrafttretens der BsGaV erstmals ein Zuordnungsgegenstand einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (Entstrickung), so ist für eine Billigkeitsmaßnahme in jedem Fall Voraussetzung, dass die grundsätzlich aufzudeckenden stillen Reserven festgestellt werden.
456 Ist der ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens wegen des Inkrafttretens der BsGaV erstmals ein Zuordnungsgegenstand zuzuordnen und gehört diese Betriebsstätte nicht zu einem anderen EU-Mitgliedstaat, so ist der Tatbestand des § 4g Absatz 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt. Aus Billigkeitsgründen wird jedoch zugelassen, dass auch in diesen Fällen ein Ausgleichsposten entsprechend § 4g EStG gebildet wird.
457 Ein beschränkt Steuerpflichtiger kann grundsätzlich keinen Ausgleichsposten i.S.d. § 4g EStG bild...