Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
455 Sind Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO in Betracht zu ziehen, weil wegen des Inkrafttretens der BsGaV erstmals ein Zuordnungsgegenstand einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (Entstrickung), so ist für eine Billigkeitsmaßnahme in jedem Fall Voraussetzung, dass die grundsätzlich aufzudeckenden stillen Reserven festgestellt werden.
456 Ist der ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens wegen des Inkrafttretens der BsGaV erstmals ein Zuordnungsgegenstand zuzuordnen und gehört diese Betriebsstätte nicht zu einem anderen EU-Mitgliedstaat, so ist der Tatbestand des § 4g Absatz 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt. Aus Billigkeitsgründen wird jedoch zugelassen, dass auch in diesen Fällen ein Ausgleichsposten entsprechend § 4g EStG gebildet wird.
457 Ein beschränkt Steuerpflichtiger kann grundsätzlich keinen Ausgleichsposten i.S.d. § 4g EStG bilden, wenn ein Vermögenswert, der bisher einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet war, infolge einer Zuordnungsänderung wegen des Inkrafttretens der BsGaV einer ausländischen Betriebsstätte desselben Unternehmens zuzuordnen ist (z.B. auch der Geschäftsleitungsbetriebsstätte). Auch in diesen Fällen wird die Bildung eines Ausgleichspostens entsprechend § 4g EStG aus Billigkeitsgründen zugelassen.
458 Zieht ein Unternehmen in den Fällen der erstmaligen Anwendung der BsGaV entgegen Rn. 451 ff. keine steuerlichen Konsequenzen aus einer erfolgten Entstrickung, so ist dies aus Billigkeitsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Unternehmen einen entsprechenden ausdrücklichen Antrag stellt und nachträglich tatsächliche Verhältnisse herstellt, die die Zuordnung, die bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der BsGaV zu Recht bestand, rechtfertigen (z.B. durch die Schaffung neuer Personalfunktionen). Entsprechende tatsächliche Veränderungen müssen bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs durchgeführt werden, in dem der Sachverhalt, der eine Zuordnungsänderung wegen der erstmaligen Anwendung der BsGaV notwendig macht, erkannt wurde oder hätte erkannt werden müssen. Dadurch kann eine Aufdeckung und Versteuerung von stillen Reserven wegen der erstmaligen Anwendung der BsGaV vermieden werden. Es ist zu prüfen, ob der Steuerbescheid, der dem Antrag des Steuerpflichtigen entspricht, insoweit nach § 165 Absatz 1 AO vorläufig erlassen wird. Er ist ggf. nach § 165 Absatz 2 AO zu ändern, wenn dadurch, dass dem Antrag entsprochen wird, internationale Besteuerungskonflikte mit anderen Staaten (Doppelbesteuerung bzw. Nichtbesteuerung) entstehen.
459 Auch wenn die ursprüngliche Zuordnungsentscheidung, die vor Inkrafttreten der BsGaV getroffen wurde und die nach der in dieser Zeit maßgeblichen Rechtslage zutreffend ist oder von der Finanzverwaltung nicht beanstandet wurde, nicht den Regelungen der BsGaV entspricht und nach Rn. 451 eine Änderung der Zuordnung durchzuführen wäre, kann es auf ausdrücklichen Antrag des Unternehmens auch über Rn. 458 hinaus für die Zeit nach Inkrafttreten der BsGaV aus Billigkeitsgründen bei der ursprünglichen Zuordnungsentscheidung bleiben. Dies gilt insbesondere auch für Fälle, in denen es sonst zur Entstrickung bisher anders zugeordneter Vermögenswerte kommt. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen glaubhaft macht, dass dadurch, dass dem Antrag entsprochen wird, voraussichtlich internationale Besteuerungskonflikte wegen der erstmaligen Anwendung der BsGaV (Entstrickung bzw. Verstrickung) vermieden werden. Für den Steuerbescheid, der dem Antrag des Unternehmens entspricht, ist Rn. 458 zu beachten.