1 Überblick über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Rz. 910
Die Einstufung in diese Einkunftsart hat insbesondere Auswirkung auf die Buchführungspflicht und die Gewerbesteuer. Gewerbesteuerpflichtig sind ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sodass diese einerseits durch Einkommensteuer und Gewerbesteuer doppelt belastet sind, andererseits aber durch die Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer teilweise wieder entlastet werden (→ Tz 923).
Zur Verpflichtung, Bücher zu führen bzw. zur Möglichkeit, die Einnahmenüberschussrechnung zu wählen siehe → Tz 912 ff.
Zur Vermeidung von Wiederholungen sind Einzelausführungen zu Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zu Anlage EÜR ab → Tz 978 zu finden.
Im Einzelnen:
2 Abgrenzung des Gewerbebetriebs zur selbstständigen Tätigkeit
Rz. 911
Zur Abgrenzung der beiden Einkunftsarten → Tz 948.
3 Wahl der Gewinnermittlungsart
Rz. 912
Unternehmer, die handelsrechtlich zur Buchführung verpflichtet sind, müssen zusätzlich auch für steuerliche Zwecke Bücher führen (§ 140 AO) und eine Bilanz aufstellen.
Andere gewerbliche Unternehmer, deren Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 10 UStG, mehr als 600.000 EUR betragen oder deren Gewinn mehr als 60.000 EUR beträgt, kann das Finanzamt auffordern, zukünftig eine Buchführung zu erstellen (§ 141 Abs. 1 AO).
Die Buchführungspflicht beginnt allerdings erst mit Beginn des Wirtschaftsjahres, das auf die Aufforderung durch das zuständige Finanzamt folgt.
Will ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger freiwillig Bücher führen, hat er das Wahlrecht erst wirksam ausgeübt, wenn er zeitnah eine Eröffnungsbilanz aufgestellt, eine kaufmännische Buchführung eingerichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss gemacht hat (BFH, Urteil v. 19.10.2005, XI R 4/04, BFH/NV 2006 S. 407).
Rz. 913
Solange der Unternehmer keiner gesetzlichen Buchführungspflicht (§ 238 HGB, §§ 140, 141 AO) unterliegt oder nicht freiwillig Bücher führt und Abschlüsse erstellt, kann er zwischen der Einnahmenüberschussrechnung und der Buchführung wählen und somit auch freiwillig Bücher führen. Dabei sind Bestandsvergleich und Einnahmenüberschussrechnung zwei unterschiedliche, aber grds. gleichwertige Gewinnermittlungsmethoden (BFH, Urteil v. 19.3.2009, IV R 57/07, BFH/NV 2009 S. 1298). Das Wahlrecht besteht nicht mehr, wenn tatsächlich Bücher geführt und Abschlüsse gemacht werden. Der Unternehmer kann in diesem Fall nicht die Gewinnermittlung durch Überschussrechnung wählen.
Rz. 914
Will oder muss der Unternehmer von einer Gewinnermittlungsart zu einer anderen wechseln, muss ein Übergangsgewinn bzw. -verlust berechnet werden. Ein Übergangsgewinn wird im Jahr des Wechsels festgestellt und kann auf bis zu drei Jahre verteilt werden (BFH, Urteil v. 1.10.2015, X R 32/13, BFH/NV 2016 S. 91). Dann ist der Steuerpflichtige für drei Wirtschaftsjahre an diese Art der Gewinnermittlung gebunden. Ein Übergangsverlust ist im Jahr des Wechsels zu versteuern (BFH, Urteil v. 23.7.2013, VIII R 17/10, BFH/NV 2013 S. 1864).
4 Ermittlung nachträglicher Einkünfte nach einer Betriebsaufgabe
Rz. 915
Soweit nach einer Betriebsaufgabe (→ Tz 928 ff.) noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gem. § 24 Nr. 2i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG führen. Die nachträglichen Einkünfte sind nicht mehr nach den Grundsätzen der Bilanzierung (§ 4 Abs. 1; § 5 EStG), sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG (→ Tz 975 ff.) unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gem. § 11 EStG zu ermitteln (BFH, Urteil v. 23.2.2012, IV R 31/09, BFH/NV 2012 S. 1448). Dazu gehören auch Einkünfte eines Kassenzahnarztes aus der sog. erweiterten Honorarverteilung der KZV (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 28.2.2014, 5 K 183/11, EFG 2014 S. 1191).
5 Besonderheiten
5.1 Liebhaberei
Rz. 916
Voraussetzung für alle Gewinnermittlungsarten ist die Gewinnerzielungsabsicht. Diese liegt vor, wenn davon auszugehen ist, dass ein Totalgewinn angestrebt wird. "Totalgewinn" ist das Gesamtergebnis des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation. Ist nicht von einem Totalgewinn auszugehen, weil aus einer Tätigkeit über einen längeren Zeitraum Verluste erzielt werden, besteht die Vermutung, dass eine Liebhaberei vorliegt. Bei einer Liebhaberei können die Verluste nicht mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden.
Ist später von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen, verliert der Betrieb von dem betreffenden Zeitpunkt an seine Eigenschaft als Liebhaberei (BFH, Beschluss v. 16.3.2012, IV B 155/11, BFH/NV 2012 S. 950). Wird ein Betrieb, der als Liebhaberei behandelt wird, veräußert, orientiert sich der Veräußerungsgewinn nicht am tatsächlichen Veräußerungserlös, sondern an dem Wert, den der Betrieb im Zeitpunkt des Übergangs vom steuerlich relevanten Betrieb zum Liebhabere...