Dipl.-Finanzwirt (FH) Willi Dittmann
Rz. 555
Familienleistungsausgleich
Die vom BVerfG geforderte Freistellung (Familienleistungsausgleich) eines Einkommensbetrags i. H. des Existenzminimums eines berücksichtigungsfähigen Kindes (sächlicher Bedarf wie Wohnung, Kleidung, Nahrung einschließlich Bedarf für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung) wird entweder durch das Kindergeld oder die steuerlichen Freibeträge für Kinder bewirkt (§ 31 EStG).
Während des Jahres wird für das Kind (monatlich) nur Kindergeld ausgezahlt. Erst im Rahmen der Jahreseinkommensteuerveranlagung prüft das Finanzamt automatisch (von Amts wegen), ob sich beim Ansatz der Freibeträge (Kinderfreibetrag zur Abdeckung des sächlichen Bedarfs und Freibetrag für den Erziehungs- Betreuungs- und Ausbildungsbedarf) betragsmäßig ein höherer Steuervorteil ergibt als durch das Kindergeld ("Günstigerprüfung", § 31 Satz 4 EStG). In die Günstigerprüfung ist auch der für 2020 einmalig gezahlte Corona-Bonus von 300 EUR je Kind einzubeziehen. Sind die Freibeträge günstiger, werden sie bei der Berechnung des z. v. E. eingerechnet. Damit wird die sich dadurch ergebende höhere steuerliche Entlastung gegenüber dem Kindergeld berücksichtigt. Der Steuerpflichtige bekommt (nach Anrechnung des Kindergelds) die über das Kindergeld hinausgehende Entlastung als Einkommensteuererstattung ausgezahlt. War das Kindergeld bzw. der Kindergeldanspruch günstiger, werden bei der Berechnung des z. v. E. die Freibeträge nicht berücksichtigt und es bleibt beim ausgezahlten Kindergeld.
Diese Vergleichsberechnung wird für jedes Kind, das berücksichtigt wird, und jeden Elternteil (außer bei Zusammenveranlagung) getrennt durchgeführt. In den meisten Fällen wird der Ansatz des Kindergelds zu einem günstigeren Ergebnis führen. Dann tauchen bei der Berechnung des z. v. E. im Steuerbescheid die Freibeträge nicht auf und in den Erläuterungen zum Bescheid wird auf das Kindergeld verwiesen.
Für im EU- oder EWR-Ausland lebende Kinder kann bei der Vergleichsberechnung davon ausgegangen werden, dass Kindergeldanspruch i. H. d. deutschen Kindergelds bestand.
Regeln zur Berechnung der Zuschlagsteuern
Zur Berechnung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer (Annexsteuern) wird immer die Einkommensteuer, die sich unter Abzug der Freibeträge für Kinder ergibt, berücksichtigt. Die Freibeträge werden bei den Annexsteuern immer als Jahresbetrag berücksichtigt, sobald die Abzugsvoraussetzungen für die Freibeträge an mindestens einem Tag im Jahr vorliegen (§ 51a EStG).
Kindergeldanspruch für Günstigerprüfung maßgebend
Die Vergleichsberechnung erfolgt immer, wenn ein Kindergeldanspruch besteht, unabhängig davon, ob das Kindergeld beantragt bzw. tatsächlich ausgezahlt wurde (BFH, Urteil v. 20.12.2012, III R 29/12, BFH/NV 2013 S. 723). Nachträglich beantragtes Kindergeld, das wegen Ablaufs der 6-Monatsfrist nicht mehr ausgezahlt wurde, bleibt dabei außer Ansatz.
Kindergeld nachträglich beantragen
Wenn ein Kind, für das Sie bisher kein Kindergeld erhalten haben, vom Finanzamt bei der Jahressteuerveranlagung berücksichtigt wird, dann können Sie das Ihnen zustehende Kindergeld noch nachträglich bei der Familienkasse beantragen, allerdings rückwirkend nur noch für die letzten sechs Kalendermonate vor Antragseingang (§ 66 Abs. 3 EStG).
Stellt sich bei der Steuerveranlagung heraus, dass Steuerpflichtige für ein Kind zu Unrecht Kindergeld erhalten haben, wird das Kindergeld zurückgefordert.