Dipl.-Finanzwirt Kirsten Happe
Minderjährige Kinder können, unabhängig von einer Erwerbstätigkeit, stets bei den Eltern berücksichtigt werden. Auch für volljährige Kinder spielt es bis zum Abschluss der erstmaligen Berufsausbildung keine Rolle, ob das Kind, das die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung dem Grunde nach erfüllt (z. B. sich in Ausbildung befindet), voll erwerbstätig ist oder nicht. Die Höhe seiner Einkünfte und Bezüge sowie sein Vermögen sind ohne Bedeutung.
Deshalb sind Eintragungen in diesen Zeilen nur erforderlich, wenn das volljährige Kind bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat (Zeile 22). Soweit ein Kind in diesem Fall (weiterhin) einen der oben genannten Berücksichtigungstatbestände erfüllt (z. B. zweite Ausbildung), kann es für Zeiträume, in denen es voll erwerbstätig (regelmäßige Arbeitszeit durchschnittlich mehr als 20 Stunden/Woche oder Minijobs mit Lohn über 538 EUR (ab Vz. 2025 556 EUR)) ist, im Regelfall nicht mehr berücksichtigt werden (Zeilen 23–25).
Kind arbeitet nach Abitur und vor Beginn des Studiums
Ein Kind hat nach dem Abitur im Juni vier Monate lang 40 Stunden wöchentlich gearbeitet und monatlich 2.500 EUR Bruttolohn erhalten. Danach studiert es.
Das Kind kann das ganze Jahr berücksichtigt werden, weil es entweder in Ausbildung ist (Schule, Studium) oder sich in einer viermonatigen Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet. Die Erwerbstätigkeit des Kindes und die Höhe der dabei erzielten Einkünfte spielen keine Rolle, weil das Kind noch keinen ersten Berufsabschluss erreicht hat.
Nach Abschluss der ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums ist eine Kinderberücksichtigung nicht mehr möglich, wenn das Kind vollerwerbstätig ist (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Damit kommt der Frage, wann eine erste Berufsausbildung abgeschlossen wurde, eine wichtige Bedeutung zu. Die Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und die Prüfung der Vollerwerbstätigkeit muss bereits dann erfolgen, wenn entweder das Ende einer ersten Berufsausbildung oder Ende eines Erststudiums vorliegt.
Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. des Erststudiums
Eine Berufsausbildung ist dann als erstmalige Ausbildung anzusehen, wenn ihr keine andere abgeschlossene Berufsausbildung bzw. kein abgeschlossenes Studium vorausgegangen ist. Zur gesetzlichen Regelung des Begriffs "erste Berufsausbildung" siehe → Anlage Sonderausgaben – Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung Zeilen 13 und 14.
Ein Erststudium ohne vorherige abgeschlossen Berufsausbildung ist ebenfalls eine erste Berufsausbildung. Einzelheiten zum Begriff erste Ausbildung und Abschluss einer Erstausbildung vgl. BZSt, Schreiben v. 30.4.2024, St II 2 – S 2280 – DA/23/00001, BStBl 2024 I S. 736, DA-KG 2024: dort A 20.2.1. ff.
Vollerwerbstätigkeit des Kindes nach abgeschlossener erster Ausbildung
Nach Abschluss der erstmaligen Ausbildung bzw. des Erststudiums kann ein Kind, das danach eine (weitere) Ausbildung (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) EStG) macht oder sich in einer Übergangszeit (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b) EStG) befindet oder einen Ausbildungsplatz suchend (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c) EStG) ist, nur berücksichtigt werden, wenn es in der Woche regelmäßig insgesamt nicht mehr als 20 Stunden arbeitet oder nur (sozialversicherungsfrei) geringfügig (538-Euro-Minijob, ab Vz. 2025 556 EUR) bzw. kurzfristig (3 Monate, max. 70 Tage) beschäftigt ist (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG; BFH, Beschluss v. 3.4.2014, III B 159/13, BFH/NV 2014 S. 1037). Grundlage für die rechtliche Prüfung ist stets die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit.
Kind arbeitet nach Gesellenprüfung, wartet auf Studienplatz
Ein 20 Jahre altes Kind hat seine Lehre im September mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. Es bewirbt sich im September um einen Studienplatz und erhält im Oktober die Zusage, dass es zum Sommersemester des nächsten Jahres mit dem Studium beginnen kann.
Das Kind ist ab September bis zum Studienbeginn
- vollerwerbstätig (mehr als 20 Stunden/Woche).
- geringfügig beschäftigt (538-Euro-Minijob, ab Vz. 2025 556 EUR).
- nicht erwerbstätig.
Das Kind erfüllt dem Grunde nach auch ab Oktober die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung (Ausbildungsplatzsuche).
Im ersten Fall kann es jedoch wegen der Erwerbstätigkeit ab Oktober bis zum Studienbeginn nicht mehr berücksichtigt werden.
In den Fällen zwei und drei ist die Berücksichtigung dagegen weiterhin möglich. Eine geringfügige Beschäftigung ist unschädlich.
Wird die Erwerbstätigkeit nur vorübergehend (höchstens zwei Monate) über 20 Stunden wöchentlich hinaus ausgeweitet, ist dies unbeachtlich, wenn während des gesamten Berücksichtigungszeitraums im Jahr die durchschnittliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt. Weitere Einzelfälle: BZSt, Schreiben v. 30.4.2024, St II 2 – S 2280 – DA/23/00001, BStBl 2024 I S. 736, DA-KG 2024: A 20.3 ff.
Ebenfalls unschädlich ist eine Vollerwerbstätigkeit im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses oder eines Freiwilligendienstes i. S. d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d) EStG.