OFD Erfurt, Verfügung v. 16.8.1999, S 1300 A - 45 - St 01
Zu Ihrer Unterrichtung möchte ich hiermit auf folgendes mir bekannt gewordene Anleihe-Modell hinweisen:
Deutsche Investoren begeben Anleihen mit kurzer Laufzeit (ca. 3 Monate) an ausländische Banken. Die ausländischen Banken haben ihren Sitz in Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbart hat, dass bei Zinseinkünften, die in der Bundesrepublik ansässige Steuerpflichtige aus den betroffenen Vertragsstaaten beziehen, auch dann eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer vorgesehen ist, wenn diese effektiv – ganz oder zum Teil – nicht erhoben wird. Der Zeichnungsbetrag der Anleihe soll mit einem Zinssatz, der an einen Interbankensatz (z.B. LIBOR) gekoppelt ist, verzinst werden. Neben dieser variablen Verzinsung des Anlegebetrages soll die Anleihe ein spekulatives Element enthalten. Dieses spekulative Element soll in Form eines Termingeschäfts, in der Regel ein Devisentermingeschäft, ausgestattet sein. In Abhängigkeit vom Kurswert des dem Termingeschäft zugrundegelegten Wertes im Fälligkeitszeitpunkt der Anleihe soll der Investor eine erhöhte bzw. verminderte Rückzahlung seines eingesetzten Kapitals erhalten. Der Rückzahlungsbetrag am Ende der Laufzeit der Anleihe wird sowohl nach oben als auch nach unten der Höhe nach begrenzt.
Die Investoren gehen davon aus, dass der gesamte Ertrag, der sich – wie oben dargelegt – aus einer variablen Verzinsung und einem spekulativen Element zusammensetzt,
- Zinsertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist und daher
- Bemessungsgrundlage für die anrechenbare fiktive Quellensteuer
ist.
Ich vertrete hierzu folgende Auffassung:
Die einkommensteuerrechtliche Behandlung der Erträge aus Anleihen mit variabler Verzinsung und zugesagter, ggf. aber vom Nennwert abweichender Rückzahlung ist differenziert zu betrachten.
Der variable Zins stellt Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar.
Die als „spekulatives Zinselement” bezeichnete verminderte oder erhöhte Rückzahlung des Kapitals hingegen liegt beim Erstinvestor auf der Vermögensebene und bleibt damit steuerlich unberücksichtigt.
Nur im Veräußerungs- oder Abtretungsfall bzw. bei Einlösung der Anleihe durch einen zweiten oder weiteren Erwerber wird das spekulative Zinselement im Rahmen der Besteuerung nach der „Marktrendite” steuerlich berücksichtigt. In diesem Fall erfolgt die Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG.
Ausgehend von dieser differenzierten Betrachtung ist eine fiktive Steueranrechnung grundsätzlich nur insoweit zulässig, als im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht steuerpflichtige ausländische Einkünfte vorliegen § 34 c Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Sätze und 3 EStG). Im Inland steuerpflichtige ausländische Einkünfte liegen hinsichtlich
vor.
Bezogen auf das spekulative Zinselement scheidet eine fiktive Steueranrechnung beim Erstinvestor aus, da die Voraussetzungen der § 34 d Nr. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht erfüllt sind.
Normenkette
EStG § 34 c Abs. 6 Satz 2