Leitsatz
1. Insolvenzforderungen sind nach § 251 Abs. 3 AO während eines Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern durch Verwaltungsakt festzustellen.
2. Masseforderungen können nicht zur Tabelle angemeldet und durch Feststellungsbescheid festgestellt werden, sondern sie müssen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festgesetzt werden.
3. Meldet das FA nicht titulierte USt-Forderungen in einer Summe zur Insolvenztabelle an, so ist die Anmeldung wirksam erfolgt, wenn durch den Inhalt der Anmeldung sichergestellt ist, dass nur bestimmte Sachverhalte erfasst sind, die zur Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände des UStG geführt haben. Das ist bei einer durch Betrag und Zeitraum bezeichneten USt-Forderung regelmäßig der Fall.
4. Die organisatorische Eingliederung einer Organgesellschaft endet, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwar nicht in vollem Umfang auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen wird (§ 22 Abs. 1 InsO), aber faktisch für den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich übergeht.
Normenkette
§ 251 Abs. 3 AO, § 174 InsO, § 2, § 15 Abs. 1, § 16, § 17 Abs. 2 UStG 1999
Sachverhalt
Der Kläger war vorläufiger Insolvenzverwalter ohne allgemeines Verwaltungs- und Verfügungsverbot für den Schuldner, die GmbH (Bauunternehmen). FA und FG gingen mit den Beteiligten vom Vorliegen einer Organschaft zur A-GbR aus (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.12.2008, 5 K 1214/05, Haufe-Index 2323707). Mit ergänzendem Beschluss vom 20.5.2003 wurde der Kläger ermächtigt, zulasten der späteren Insolvenzmasse Masseverbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen, die für die Fertigstellung der zwei einzigen noch nicht abgeschlossenen Bauvorhaben notwendig waren. Im Umfang der erforderlichen Rechtsgeschäfte wurde die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Kläger übertragen und der GmbH untersagt, Verbindlichkeiten zu begründen und zu erfüllen. Streitig war nur, wann die Organschaft endet.
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, weil Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Organschaft unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur mittelbaren finanziellen Beteiligung an der Organschaft von vornherein nicht bestanden hatte.
Hinweis
1. Wird bei der Organgesellschaft ein "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, endet mangels Einflussmöglichkeit des Organträgers die Organschaft. Gleiches gilt, wenn – wie im Besprechungsfall – die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf den gesamten noch verbleibenden operativen Geschäftsbereich, d.h. alle umsatzsteuerrechtlich relevanten Sachverhalte, ausschließlich auf den Insolvenzverwalter übertragen wird.
2. Besteuerungszeitraum ist grundsätzlich das Kalenderjahr. Hat der Unternehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, gilt ein kürzerer Besteuerungszeitraum (§ 16 Abs. 3 UStG). Im Insolvenzverfahren sind – insolvenzrechtlich bedingt – trotz Unternehmenseinheit drei Unternehmensteile zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 9.12.2010, V R 22/10 BFH/NV 2011, 952). Für den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil ist lediglich die bis zur Insolvenzeröffnung entstandene USt maßgeblich. Zu erfassen sind nur die bis zur Insolvenzeröffnung verwirklichten ("begründeten") USt-Sachverhalte. Die sich daraus ergebende USt ist nach den §§ 16 ff. UStG zu berechnen und – soweit sie noch nicht entrichtet ist – als Insolvenzforderung anzumelden (§ 174 Abs. 2 InsO).
3. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 UStG auszugehen, soweit für sie die Steuer in dem Besteuerungszeitraum (siehe 2.) entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist (§ 16 Abs. 1 Satz 3 UStG). Von der so berechneten Steuer sind die den Besteuerungszeitraum betreffenden abziehbaren Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) und die Berichtigungen gem. § 15a, § 17 UStG abzusetzen (§ 16 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG, § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG). Nicht anders als die nach den §§ 18, 16 und 17 UStG berechnete USt in der USt-Erklärung des Unternehmers und im USt-Bescheid enthält die Anmeldung sowie der – im Bestreitensfall erforderliche – Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO so viele Einzelfeststellungen, wie für den betreffenden Besteuerungszeitraum materiell-rechtlich verschiedene USt-Sachverhalte ermittelt und in der angemeldeten Forderung erfasst worden sind. Einzelne Umsätze, Vorsteuerbeträge und Berichtigungen nach § 15a, § 17 UStG sind dabei nur unselbstständige Besteuerungsgrundlagen für die nach Maßgabe des § 16 UStG für den Besteuerungszeitraum festzusetzende Steuer. Ausreichend ist daher, dass der Inhalt der Anmeldung die für die Erörterung der einzelnen Forderungen im Prüfungstermin notwendige Individualisierung einzelner Sachverhalte ermöglicht, sodass sichergestellt ist, dass nur bestimmte in der Anmeldung durch die Angabe einer Summe begrenzte Sachverhalte erfasst sind. Dies ist bei einer durch Betrag und Zeitraum bezeichneten US...