Fragestellungen zur Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer
[Ohne Titel]
RD Andreas Brunckhorst
Die Digitalisierung ermöglicht sowohl Selbständigen als auch Arbeitnehmenden, ihre Tätigkeit mobil – am Ort oder zur Zeit ihrer Wahl – auszuüben. Das Angebot an neuen Arbeitsplatzformen und Arbeitsorten ist vielfältig. Ein Angebot kann ein Coworking-Space sein. Das können Büroflächen, Werkstätten oder Arbeitsflächen sein, die von Selbständigen aus unterschiedlichen Fachgebieten angemietet werden, um dort gemeinsam – aber nicht unbedingt miteinander – zu arbeiten. Dabei spielt der Netzwerkgedanke eine maßgebende Rolle, wenn Selbständige für ein Projekt den Austausch unterschiedlicher Disziplinen suchen. Coworking steht für Zusammenarbeit und Space für Raum. In dem Beitrag werden Fragestellungen zur Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer rund um die Anmietung eines Arbeitsplatzes in einem Coworking-Space angesprochen.
I. Vorspann
Für Arbeitgebende kann das Angebot eines weiteren Arbeitsplatzes an Arbeitnehmende – neben dem Betrieb oder dem Homeoffice – im Vordergrund stehen. Das dient dem Ziel, neue Arbeitnehmende zu werben und an den Betrieb zu binden. Die Tätigkeit in einem Coworking-Space ermöglicht Arbeitnehmenden kurze Arbeitswege und reduziert so das Pendeln zwischen Betrieb und Wohnung. Das kann die ländliche Region stärken, weil es der Abwanderung entgegenwirkt.
Selbständige oder Arbeitgebende können
- entweder Büroräume mieten und einrichten
- oder die Infrastruktur von Anbietern in Anspruch nehmen.
Nutzung vorhandener Infrastruktur: Anbieter stellen den Interessenten einen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro – einschließlich Büromöbel, Technik und Internetzugang – gegen Entgelt zur Verfügung. Die Interessenten können aus einer Vielzahl von Angeboten – z.B. tageweise oder monatsweise Miete nebst vielfältigen Nebenleistungen – wählen. Das Entgelt ist oft in Pauschalen eingeteilt. Ein bestimmter Arbeitsplatz steht meist nur gegen ein weiteres Entgelt zur Verfügung.
Weitere Vorteile: Für Selbständige und Arbeitgebende kann eine Kosteneinsparung eintreten, weil sie in ländlichen Regionen geringere Mieten für Büros aufwenden müssen. Selbständigen ermöglicht ein Coworking-Space eine Tätigkeit ohne eigenes Büro. Das ist bisweilen in der Kultur- und Kreativwirtschaft anzutreffen.
In dem Beitrag wird erörtert,
- ob das Anmieten eines Coworking-Spaces bei Selbständigen und Arbeitgebenden zu einer Betriebsstätte führt.
- Außerdem wird veranschaulicht, welche Aufwendungen Arbeitnehmende bei einer Tätigkeit in einem Coworking-Space als Werbungskosten (WK) geltend machen können und
- welche Einkünfte Vermietende eines Coworking-Spaces erzielen.
- Abschließend stellt der Beitrag Bezüge zur Umsatzsteuer (USt) und Gewerbesteuer (GewSt) her.
II. Selbständige und Arbeitgebende
1. Coworking-Space als Betriebsstätte?
Zu erörtern ist, ob Selbständige durch eine Tätigkeit in einem Coworking-Space eine Betriebsstätte begründen.
Relevanz für die GewSt: Die Beurteilung der Frage ist für die GewSt relevant. Ein stehender Gewerbebetrieb unterliegt der GewSt in der Gemeinde, in der das Unternehmen eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhält. Sofern sich Betriebsstätten in mehreren Gemeinden befinden, oder sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden erstreckt, so ist die GewSt in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags zu erheben, der auf sie entfällt (§ 4 Abs. 1 GewStG). Der Steuermessbetrag ist dann in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen (§ 28 Abs. 1 GewStG).
a) Betriebsstätte nach § 12 Satz 1 AO?
Eine Betriebsstätte ist
- jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage,
- die der Tätigkeit eines Unternehmens dient (§ 12 S. 1 AO).
Eine Geschäftseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand und jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände, die geeignet sind, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein. Der Unternehmer muss eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über diese Einrichtung haben. Sie liegt vor, wenn der Unternehmer
- eine Rechtsposition innehat,
- die ihm ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres entzogen werden kann.
Die Rechtsposition muss sich nicht auf einen bestimmten Raum beziehen, sondern kann auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer irgendeinen Raum in dem Gebäude nutzen kann. Eine feste Geschäftseinrichtung ist auf gewisse Dauer angelegt. Sie ist immer dann auf Dauer angelegt, wenn sie länger als sechs Monate besteht.
Verfügungsmacht? Die Verfügungsmacht erscheint bei Selbständigen ungewiss, wenn sie einen Coworking-Space nur bei Bedarf für kurze Zeit anmieten. Außerdem mieten die Selbständigen ausschließlich einen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro. Ein eigener Raum ist meist nur gegen ein gesondertes Entgelt zu reservieren. Sofern Selbständige einen abgetrennten Raum für längere Zeit anmieten, kann eine Betriebsstätte vorliegen.
Fazit: Eine Betriebsstätte nach § 12 S. 1 AO ...