Leitsatz
Vorauszahlungen eines Ehegatten aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids dienen letztlich der Tilgung der zu erwartenden Steuerschulden beider Ehegatten, unabhängig davon, ob die Eheleute später zusammen oder getrennt veranlagt werden. Sie sind deshalb zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen. Ein verbleibender Rest ist nach Kopfteilen an die Ehegatten auszukehren (Fortentwicklung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 37 Abs. 2 S. 1 AO, § 37 Abs. 1, § 36 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2, § 26 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, der im Jahr 2001 mit seiner damaligen Ehefrau zusammenlebte, leistete aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheids für die ESt des Jahres 2001 Vorauszahlungen i.H.v. 23 298 EUR, die das FA von seinem Konto abbuchte. Die inzwischen geschiedene Ehefrau beantragte später getrennte Veranlagung für das Jahr 2001. Es erging gegen den Kläger ein ESt-Bescheid, der keinerlei Anrechnung von Vorauszahlungen enthielt. Er setzte eine Zahllast von 15 090,63 EUR fest, die wiederum durch Abbuchung vom Konto des Klägers beglichen wurde. Die Veranlagung der Ehefrau ergab eine Zahllast von 727,93 EUR. Die geleisteten Vorauszahlungen überschritten die Summe der in den ESt-Bescheiden beider Ehegatten ausgewiesenen Zahllasten um 7 480,44 EUR.
Das FA erstattete später dem Kläger sämtliche Vorauszahlungen. Dann jedoch forderte es mit dem angefochtenen Bescheid vom Kläger die Hälfte des erstatteten Betrags zurück. Er habe nur Anspruch auf Anrechnung der Hälfte der Vorauszahlungen, da Vorauszahlungen eines Ehepartners bei zusammenlebenden Eheleuten als auf beider Steuerschuld geleistet gelten, wenn – wie geschehen – keine gegenteilige Absicht bekundet werde (FG Köln, Urteil vom 27.04.2010, 1 K 3389/07, Haufe-Index 2360962, EFG 2010, 2003).
Entscheidung
Der BFH hat den Rückforderungsbescheid zum überwiegenden Teil aufgehoben, weil er rechtswidrig ist. Die Vorauszahlungen sind ungeachtet der unterbliebenen Anrechnung zunächst auf die Steuerschulden der beiden Eheleute – also vor allem die des Klägers, die dadurch vollständig getilgt ist – zu verbuchen und nur der dann verbleibende Rest ist auf beide aufzuteilen. Dementsprechend muss der Kläger nur einen kleinen Teil der ihm gewährten Erstattung zurückzahlen!
Hinweis
Nach § 37 Abs. 2 S. 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung bewirkt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung eines zurückgezahlten Betrags, wenn ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist. Erstattungsberechtigter ist derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, und nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (BFH, Urteil vom 30.09.2008, VII R 18/08, BFH/NV 2008, 2075, BFH/PR 2009, 31). Den Finanzbehörden soll nicht zugemutet werden, die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen – im Innenverhältnis – auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat (BFH, Urteil vom 25.07.1989, VII R 118/87, Haufe-Index 62484, BStBl II 1990, 41).
Obwohl bei einem Gesamtschuldner angenommen wird, dass er nur seine eigene Steuerschuld tilgen will (BFH, Urteil vom 18.02.1997, VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482), soll nach der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH anderes, nämlich eine doppelte Tilgungsbestimmung, anzunehmen sein, wenn ein Ehegatte auf die Gesamtschuld gezahlt hat, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG). Ein etwaiger Erstattungsbetrag ist dementsprechend zwischen den Eheleuten nach Köpfen aufzuteilen. Ob die Eheleute sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die getrennte Veranlagung beantragt, ist für die Beurteilung der Tilgungsabsicht nicht maßgeblich, denn es kommt nur darauf an, wie sich die Umstände dem FA zum Zeitpunkt der Vorauszahlung darstellten.
Diese nicht unangefeindete und in der Tat recht zweifelhafte Rechtsprechung (vgl. jetzt das Revisionsverfahren VII R 20/11) soll nach der Besprechungsentscheidung jedoch dann nicht eingreifen, wenn bzw. insoweit eine Vorauszahlung – insbesondere wegen anderweitiger Tilgung der Steuerschulden – nicht bestimmungsgemäß auf die festgesetzten Steuern angerechnet worden ist. Dann soll die Vorauszahlung bei getrennter Veranlagung zunächst in Höhe des festgesetzten Betrags dem Ehegatten zu erstatten sein, auf dessen Schuld sie sonst anzurechnen gewesen wäre. Sofern nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den geleisteten Vorauszahlungen noch ein Rest verbleibt, ist (nur) dieser den Ehegatten anteilig zu erstatten.
Diese Einschränkung des "Halbteilungsgrundsatzes" ist im Ergebnis m...