2.1 Nationales Recht
Nach deutschem Recht knüpft die Ansässigkeit einer natürlichen Person an den inländischen Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO). Bei Kapitalgesellschaften werden der inländische Sitz (§ 11 AO) oder der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) verwendet.
Die Ansässigkeit nach nationalem Recht führt zur unbeschränkten Steuerpflicht in diesem Staat. Hiermit ist i. d. R. die Besteuerung des Welteinkommens des Steuerpflichtigen nach Maßgabe der nationalen Vorschriften und Anwendung der inländischen Gewinnermittlungsvorschriften verbunden. Hieraus resultieren verfahrensrechtlich umfassende Mitwirkungspflichten (z. B. nach § 90 Abs. 2 AO) und hieraus entstehende Compliance-Notwendigkeiten sowie drohende (steuerstraf-)rechtliche Konsequenzen. Zugleich kann eine Berufung auf die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, auf das nationale DBA-Netz sowie auf die Richtlinie der EU erfolgen. Die Ansässigkeit in einem Staat schließt die Ansässigkeit in einem anderen Staat nicht aus. Hieraus kann eine Doppelbesteuerung der Einkünfte resultieren.
2.2 Abkommensrecht
Gem. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasse jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist. Dieses Verständnis kann dazu führen, das auch nach Abkommensrecht eine doppelte Ansässigkeit besteht. Dies erweist sich als problematisch, weil für die Zuweisung der abkommensrechtlichen Besteuerungsrechte auf den Ansässigkeits- bzw. den Quellenstaat verwiesen wird. Insoweit würde damit keine eindeutige Zuordnung erfolgen. Aus diesem Grund enthalten die DBA sog. Tie-breaker-Clauses, die für Zwecke des DBA eine eindeutige Festlegung zur Ansässigkeit treffen. Art. 4 Abs. 2 OECD-MA sieht für natürliche Personen die folgende Abstufung vor:
„a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);
b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;
c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;
d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen.”
Für juristische Personen findet sich eine entsprechende Regelung in Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. Danach bemühen sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten, durch Verständigung zu bestimmen, in welchem Staat diese Person i. S. d. Abkommens als ansässig gelten soll, unter Berücksichtigung des Orts ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung, des Orts an dem sie niedergelassen oder auf andere Weise errichtet ist sowie weiterer maßgeblicher Faktoren. Kommt es zu keiner derartigen Verständigung, so steht der betreffenden Person keine Vergünstigung oder Befreiung von Steuern unter dem Abkommen zu, außer in dem Maße und in der Art, auf die sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einigen. Aufgrund dieser drohenden dramatischen Auswirkungen sollten die Verhältnisse möglichst so gestaltet werden, dass eine eindeutige Bestimmung der Ansässigkeit erfolgen kann.