Leitsatz
1. Rückstellungen für Deponie-Rekultivierung sind nach der tatsächlichen Inanspruchnahme anzusammeln.
2. Rückstellungen für Rückbauverpflichtungen sind zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln.
3. Die angesammelten Rückstellungen für Deponie-Rekultivierung sowie für Rückbauverpflichtungen sind abzuzinsen.
4. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e i.V.m. der Übergangsregelung in § 52 Abs. 16 S. 7, 8 und 10 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Es liegt keine unzulässige Rückwirkung vor.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a, Nr. 3 S. 2, § 52 Abs. 16 S. 7, 8 und 10 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 2 EStG i.d.F. des AltfahrzeugG, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 GG
Sachverhalt
Für die Verpflichtung zur Rekultivierung einer Deponie und zum Rückbau eines auf dem Gelände befindlichen Hafens und Transportband-Kanals bildete ein Unternehmen seit 1996 Rückstellungen. Diese sammelte es bis zum voraussichtlichen Ende der Deponie im Jahre 2015 an. Für das Streitjahr 1999 war nach Auffassung des FA erstmals eine Abzinsung auf beide Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG vorzunehmen. Der dadurch entstehende Gewinn durfte i.H.v. 9/10 in eine Rücklage eingestellt werden.
Das Unternehmen war der Auffassung, die Abzinsung sei verfassungswidrig, hatte damit aber beim FG keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.04.2007, 3 K 11463/05, Haufe-Index 1781112, EFG 2007, 1856).
Entscheidung
Auch der Revision blieb der Erfolg versagt. Der BFH sah die einfachgesetzlichen Voraussetzungen für die Abzinsung auf der Grundlage der Werte zum Bilanzstichtag als erfüllt an und erachtete die Erstreckung der erstmals 1999 eingeführten Abzinsung auf bereits früher gebildete Rückstellungen für verfassungsrechtlich unbedenklich.
Hinweis
1. Das Urteil erklärt die mit dem StEntlG 1999/2000/2002 ab 1999 eingeführte Abzinsung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen in der Steuerbilanz für zulässig, selbst wenn es sich um Ansammlungsrückstellungen handelt. Dabei hält der BFH an der früheren Rechtsprechung fest, dass Wertmaßstab für die Rückstellung die Kosten nach den Wertverhältnissen am Bilanzstichtag sind. Zugleich sieht der BFH in der Anwendung der Abzinsungsregelung auf bereits vor 1999 erstmals gebildete Rückstellungen keine unzulässige Rückwirkung.
2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG sind Rückstellungen in der Steuerbilanz seit 1999 mit einem festen Satz von 5,5 % abzuzinsen, wenn die Verpflichtung am Bilanzstichtag noch über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten besteht und nicht verzinslich ist. Die Abzinsung gilt auch für Sachleistungsverpflichtungen. Das Handelsrecht sieht eine Abzinsung von Rückstellungen erst seit dem BilMoG vor (§ 253 Abs. 2 HGB n.F.). Weil handelsrechtlich unter Anwendung des durchschnittlichen Zinssatzes der letzten sieben Geschäftsjahre abzuzinsen ist, werden die abgezinsten Beträge in der Steuer- und Handelsbilanz so gut wie nie übereinstimmen.
3. Die Abzinsung soll nach Meinung des BFH auch für Ansammlungsrückstellungen gelten, und zwar unabhängig davon, ob die Ansammlung sich aus einer im Lauf der Zeit ansteigenden Verpflichtung ergibt, wie im Fall der der Verfüllung einer Deponie, oder aus der nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d S. 1 EStGgesetzlich vorgeschriebenen zeitanteiligen Ansammlung für einmalige Verpflichtungen, wie hier der Rückbauverpflichtung. Das Argument, im letztgenannten Fall entstehe bereits aus der zwingenden Ansammlung ein Zinsnachteil, sodass insoweit eine verzinsliche Verpflichtung vorliege und deshalb nicht mit doppelt nachteiliger Wirkung abgezinst werden dürfe, hält der BFH nicht für stichhaltig. Es müssen danach alle Arten von Rückstellungen abgezinst werden.
4. Vom Standpunkt des Gesetzgebers aus soll mit der Abzinsung zum Ausdruck gebracht werden, dass eine erst in der Zukunft zu erbringende Leistung einen niedrigeren Gegenwartswert hat. Bei einer Sachleistungsverpflichtung wäre es danach konsequent, an den Betrag anzuknüpfen, der voraussichtlich im Zeitpunkt der Leistung aufzuwenden sein wird, und diesen Betrag auf den Barwert abzuzinsen. Handelsrechtlich dürfte dies der Erfüllungsbetrag i.S.d. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB n.F. sein. Steuerrechtlich schreibt § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG heutiger Fassung allerdings die Bewertung nach den Wertverhältnissen am Bilanzstichtag vor. Diese Regelung galt im Jahr 1999 zwar noch nicht. Sie entsprach aber der früheren Rechtsprechung des BFH aus der Zeit vor Einführung einer Abzinsungspflicht und wurde aus dem bilanziellen Stichtagsprinzip abgeleitet. Nach Meinung des BFH soll sich mit der Einführung der Abzinsungspflicht daran nichts geändert haben.
5. Bei Einführung der Abzinsung hätte der Gesetzgeber vorsehen können, dass nur erstmals ab Inkrafttreten des Gesetzes zu bildende Rückstellungen betroffen sein sollen. Im Jahr 1999 wollte der Gesetzgeber aber auch auf die bereits bestehenden Rückstellungen zugreifen und unterwarf deshalb auch Altr...