Leitsatz
Auch beim Ausweis von Rückstellungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist (sog. Ansammlungsrückstellung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG), ist das Stichtagsprinzip zu beachten. Wird deshalb das einer Beseitigungspflicht für Bauten auf fremdem Grund und Boden zugrunde liegende Rechtsverhältnis (hier: Miet- und Pachtvertrag) über das zunächst festgelegte Vertragsende hinaus – sei es durch Änderung des bisherigen Vertrags, sei es durch Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses – (wirtschaftlich) fortgesetzt, ist dieser verlängerte Nutzungszeitraum auch dem Rückstellungausweis zugrunde zu legen.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d und Buchst. e EStG, § 242 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, unterhielt im Streitjahr 2004 einen Handelsbetrieb auf einem Grundstück, das im Eigentum der X steht. Grundlage der Nutzung war für den Zeitraum Juni 1984 bis September 1991 ein Unterpachtvertrag mit der S-GmbH, die ihrerseits das Grundstück – unter Einräumung eines Vorpachtrechts – von X gepachtet hatte. Im Jahre 1992 – nach Ablauf des Unterpachtvertrags – wurde zwischen der Klägerin und der X ein direktes Pachtverhältnis 1992 – wiederum verbunden mit einem Vorpachtrecht – vereinbart; Nutzungszeitraum war jetzt Oktober 1991 bis September 2011. Vor Ablauf dieses Zeitraums ist der Pachtvertrag jedoch mit weiterer Vereinbarung im Jahre 2003 aufgehoben und ein Mietvertrag zwischen der Klägerin und X mit einer festen Mietzeit bis Juni 2018 geschlossen worden; der Klägerin stand hierbei das Recht zu, den Mietvertrag zweimal um (jeweils) fünf Jahre zu verlängern.
Die Klägerin war nach allen Verträgen verpflichtet, die auf dem Grundstück befindlichen Bauten zum Ende des jeweiligen Nutzungsverhältnisses zu beseitigen, sofern nicht ein ihr nachfolgender Nutzungsberechtigter (Mieter, Pächter) die Baulichkeiten sowie die Beseitigungspflicht übernimmt. Sie hatte spätestens in ihrem Jahresabschluss 1996 die vollen Abbruchkosten zurückgestellt. Zum Ende des Streitjahres, in dem die Klägerin einen Anbau an ihr Bürogebäude fertiggestellt hatte, belief sich die Rückstellung auf rd. 110.000 EUR.
Das FA verteilte die Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d EStG mit rd. 82.000 EUR auf den Zeitraum von Juni 1984 bis Juni 2018 und zinste den zum Ende des Streitjahres ermittelten Betrag gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG ab; über Letzteres bestand dann aber unter den Beteiligten kein Streit (mehr).
Die Klägerin begehrte, die ursprüngliche Rückstellung anzuerkennen und sie aufgrund neuer Aufwandsberechnung auf rd. 122.000 EUR zu erhöhen. Die Klage hatte Erfolg, da ein neuer Miet- oder Pachtvertrag über ein Grundstück, für das bereits eine Ansammlungsrückstellung gebildet wurde, nicht zu einer Neuberechnung des Ansammlungszeitraums führe (Niedersächsisches FG, Urteil vom 10.5.2012, 6 K 108/10, Haufe-Index 3139705, EFG 2012, 1628).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf. Die Klage wurde abgewiesen. Es gelte, die Abbruchverpflichtung zu jedem Bilanzstichtag neu zu bewerten. Der ursprüngliche Ansatz sei infolge der Vertragsprolongationen neu zu verteilen.
Hinweis
1. Sog. Ansammlungsrückstellungen sind – das ist die Kernaussage – zu jedem Bilanzstichtag neu zu bewerten. Verändert sich das vertragliche Umfeld und wird die auszuweisende Verpflichtung, die rückstellungsbegründend ist, "gestreckt", "streckt" sich zugleich auch der Rückstellungsausweis und scheidet eine vorzeitige Vollpassivierung aus. Im Einzelnen:
2. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen u.a. für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die Vorschrift erfasst auch sog. echte Ansammlungsrückstellungen, deren Kennzeichen darin besteht, dass der Rückstellungsbildung am Bilanzstichtag rechtlich bereits begründete Verbindlichkeiten zugrunde liegen, deren Entstehen aber bei wirtschaftlicher Betrachtung auch auf zukünftige Wirtschaftsjahre entfällt. Der Rückstellungsaufwand ist ausgehend von den Preisverhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags den Wirtschaftsjahren bis zur Erfüllung der Verbindlichkeit zuzuordnen und belastet damit anteilig auch den Gewinn der Folgeperioden.
3. Für Zwecke des steuerbilanziellen Ausweises wird der Ansatz durch § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG modifiziert. Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen sind danach mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG) und Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d Satz 1 EStG).
4. Der BFH stellt nun klar:
Die steuerrechtlichen Sondervorschriften ändern nichts an der uneingeschränkten Rechtsgeltung des (handelsrechtlichen) Stichtagsprinzips. Das betrifft den Rückstellungsausweis dem Grunde nach; die bisherige Passivierung ist aufzulösen, wenn nach den Verhältnissen am...